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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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möchtest. Warum packst du nicht heute noch deine Sachen zusammen und lässt dich dann nach Dunmore Hall bringen? «
    » Ich fahre sie mit dem Wagen hin « , sagte William. » Dann können wir auch gleich Abschied voneinander nehmen. « Seine Miene war traurig, aber auch voller Anspannung.
    Celias Blicke gingen zwischen ihm und Elizabeth hin und her. Die beiden hatten vorhin etwas besprochen, das sie ganz offenkundig für sich behalten wollten, und es hatte mit dem Inhalt der Säcke zu tun.
    William wandte sich fragend an Celia.
    » Was ist nun mit dir? Willst du auch mit nach England reisen? «
    Einen Moment lang war sie versucht, die Frage zu bejahen. Nur um zu sehen, wie sich sein Gesichtsausdruck dabei veränderte. Würde er erleichtert sein, wenn sie fortginge? Oder würde seine Miene Enttäuschung offenbaren, vielleicht sogar Kummer, weil er dann ganz allein zurückbliebe? Und wäre es nicht vielleicht wirklich gut für sie, woanders ein neues Leben anzufangen? Hier auf Barbados würde sie niemals etwas anderes sein können als die Sklavin, die sie zeitlebens gewesen war. Auf dem Papier war sie frei, und auch nach Williams Meinung, aber in den Augen aller Übrigen war sie nicht mehr als ein Stück Vieh, über das die weiße Herrschaft nach Belieben bestimmen konnte.
    Der Moment ihrer inneren Ungewissheit schien sich ins Unendliche zu dehnen. Williams Gesichtsausdruck zeigte keine Veränderung. Sie hielt seinem forschenden Blick stand und schüttelte schließlich langsam den Kopf.
    » Nein, Mylord, ich glaube nicht, dass ich von der Insel wegwill. Soll ich Euch nun etwas von dem Ragout servieren oder nicht? «

6
    D uncan hatte den langweiligsten Morgen seit Jahren verbracht. Er hockte auf einem umgedrehten Kübel in einer Zelle der Garnison und hatte nichts weiter zu tun, als durch die Gitter auf die bröckelnde Tünche der gegenüberliegenden Mauer zu starren. Im Vorraum saßen drei Wachleute und spielten Karten. Auf seine lautstarke Forderung, ihm etwas zu trinken zu geben, hatte ihm ein junger Rekrut wortlos eine Feldflasche gebracht und sich dann ebenso stumm wieder zurückgezogen. Die Flasche war nur zu schnell ausgetrunken, und Duncan schwitzte aus allen Poren. Er hatte das Wams längst abgelegt und das Hemd aus dem Hosenbund gezogen, sonst wäre er in der dumpfen, brütenden Hitze erstickt. Als gegen Mittag endlich ein Korporal auftauchte und die Zellentür aufschloss, musste er an sich halten, den Mann nicht laut zu verfluchen. Flankiert von vier martialisch dreinblickenden Soldaten, wurde Duncan zur Residenz des Gouverneurs geführt. In einem kargen Raum hockte seine Exzellenz Frederic Doyle mit verdrossener Miene hinter dem erhöht angebrachten Amtstisch, rechts und links neben ihm die Beisitzer– sechs Mitglieder des House of Burgesses. Duncan hatte sie während der Zeit des Aufstands hin und wieder kurz gesehen, kannte aber keinen von ihnen näher. Ihre Anwesenheit konnte nur eines bedeuten– dies war nicht einfach nur eine Vernehmung, sondern ihm sollte an Ort und Stelle der Prozess gemacht werden. Obwohl er vorhin noch so geschwitzt hatte, wurde ihm plötzlich kalt. Er hatte Eugene unterschätzt. Der Mann musste wirklich sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt und alles von langer Hand vorbereitet haben, sonst hätte er dieses Tribunal nicht zusammenbringen können.
    Als Duncan vor den Richtertisch geführt wurde, blickte Doyle mit deutlichem Widerwillen auf. Das Amt des Gerichtsvorstands, das er als Sachwalter des englischen Parlaments auszuüben hatte, schien ihm nicht zu behagen. Schweißperlen bedeckten sein Gesicht, das eine ungesunde Röte aufwies. Die schwere, mit Insignien bestickte Robe war in Anbetracht der Hitze zweifellos die reinste Folter für ihn.
    Deutlich besserer Laune als der Gouverneur war dagegen Eugene Winston, der an einem Pult neben dem Richtertisch saß, Papier und Schreibzeug vor sich und ersichtlich zu allen nur denkbaren Schandtaten bereit, solange sie nur dazu beitrugen, Duncan Haynes das Leben schwer zu machen. Anscheinend hatte er neben der Rolle des Gerichtsschreibers auch die des öffentlichen Anklägers übernommen, denn er befahl Duncan, die rechte Hand zu heben, was dieser kurzerhand ignorierte.
    » Es ist Vorschrift, dass der Angeklagte zur Verlesung der Anklage die Hand hebt « , sagte Doyle verärgert. » Wenn Ihr das Gericht auf diese Weise beleidigt, könnt Ihr an Ort und Stelle wegen Missachtung auf den Richtplatz hinausgeschafft und dort aufgeknüpft

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