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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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warf die große Echse sich in die Wellen und paddelte mit schlängelnden Bewegungen rasch davon. Oleg, der zum ersten Mal sah, wie ein Leguan schwamm, staunte über dessen Geschicklichkeit. Im Wasser bewegte er sich deutlich eleganter als beim Klettern. Doch dem Tier war kein Glück beschieden. Während es vor den vermeintlichen Angreifern flüchtete, hatte es die wahre Gefahr übersehen. Ein Speer sauste durch die Luft und durchbohrte seinen Leib. Das Wasser färbte sich rot, als der Leguan sich mit zuckendem Schwanz herumwarf und versuchte, sich davonzumachen. Doch seine Bewegungen wurden rasch langsamer, und als der junge Karibe, der den Speer geschleudert hatte, lachend durch das Wasser auf ihn zuwatete und seine schuppige Beute mitsamt dem Speer in Richtung des am Ufer liegenden Einbaums zog, erlahmte das Gezappel vollends. Der braunhäutige kleine Jäger zerrte die nun schlaffe Echse auf den Strand, und unter begeisterten Ausrufen begutachteten die Kariben den unverhofften Fang. Leguane galten als Delikatesse. Oleg hatte ebenfalls bereits von ihrem Fleisch gegessen. Es war zart und schmackhaft.
    Unten am Strand näherten sich Edmond und Deirdre. Oleg konnte ihre Gesichter nicht sehen, da sie von Sonnenhüten beschirmt waren. Edmond sah mit seinem Hut ein wenig lächerlich aus, was er selbst wusste. Doch er musste ihn tragen. Nahezu alle Iren wurden wegen ihrer hellen Haut in der Sonne rot wie gesottene Krebse, wenn sie sich nicht wenigstens während der heißesten Tageszeit schützten. Deirdre hingegen stand ihr Hut vorzüglich. Ihr rostrotes Haar quoll in glänzenden Locken unter der Krempe hervor, wie immer war sie der Inbegriff von jugendlichem Liebreiz. Während der Arbeit hüllte sie sich stets in formlose graue Kittel, aber diesmal trug sie, wie an jedem Sonntag, ein Kleid aus hellem Kattun und mit engem Mieder, das ihre schmale Taille und die runden Brüste betonte. Keine Frage, sie hatte sich für den Pfaffen hübsch gemacht.
    Deirdres Bewegungen waren zögerlich, sie ließ sich eher von Edmond ziehen, als dass sie selbst vorwärtsstrebte. Oleg sah, wie die Kariben sich von der erlegten Echse abwandten und um Deirdre und Edmond scharten. Die Körperhaltung der Eingeborenen– es waren sechs Männer– drückte neugierige Erwartung aus, als Edmond mit ausholenden Gesten anfing, sich mit ihnen zu verständigen. Er zeigte zuerst auf sich und dann auf Deirdre. Oleg hörte einzelne Wortfetzen, verstand aber nicht, was geredet wurde. Edmond stand zu weit weg, und das Rauschen des Meeres verschluckte seine Stimme. Plötzlich trat einer der Wilden– es war der Älteste unter ihnen, vermutlich der Kazike– auf Deirdre zu und streckte die Hand nach ihr aus. Oleg richtete sich wachsam auf. Dann glitt er ohne zu zögern aus seinem Versteck und machte sich daran, den felsigen Abhang hinabzuklettern.
    Deirdre zuckte zurück, als der Wilde ihr Haar anfasste, doch er hielt unbeirrt eine ihrer Locken fest und rieb sie zwischen den Fingern. Er sagte etwas zu den anderen, worauf alle lachten. Edmond wirkte ein wenig irritiert, machte aber keine Anstalten einzuschreiten. Er fuhr fort, mit vielen Gesten und ein paar Worten aus der Eingeborenensprache zu erklären, wer er war und was er wollte. Die Männer nahmen es kaum zur Kenntnis, sie schienen sich eher für Deirdre zu interessieren. Vor allem der, der ihr Haar befühlte, war offensichtlich von ihr angetan. Er fragte Edmond etwas, worauf dieser die Hand hinter sein Ohr hielt und so zum Ausdruck brachte, dass er es nicht verstanden hatte. Der Wilde wiederholte die Frage ungeduldig, und wie um sein Ansinnen zu unterstreichen, zeigte er zuerst auf Deirdre und dann auf sich.
    » Ich verstehe nicht « , sagte Edmond befremdet.
    » Edmond, wir sollten wohl besser wieder gehen. Es gefällt mir nicht, wie dieser Mann mich ansieht. « Deirdre hatte kein Wort von dem verstanden, was die Wilden in ihrer Sprache redeten, aber für die Blicke des Mannes brauchte sie keine Übersetzung. Die braunhäutigen Eingeborenen machten ihr Angst. Groß waren sie nicht, aber ihre Arme und Beine waren kräftig und muskulös. Die tätowierten, runden Gesichter waren glatt und flachnasig, und unter pechschwarzen Haarschöpfen musterten sie große dunkle Augen. Die Bekleidung der Männer bestand aus Lederschnüren, die sie um den Leib geschlungen hatten und von denen grob gewirkte Stoffstücke hingen, mit denen sie notdürftig ihre Scham bedeckten. Allesamt trugen sie Waffen– Steinmesser,

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