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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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, fragte Edmond. Es klang ein wenig gereizt.
    » Er meint, dass es andere Kariben sind als die, die sonst hier leben. Er glaubt, sie sind von einer anderen Insel hergekommen. «
    » Für mich sahen sie so aus wie alle übrigen, die ich bisher sah. Sie sprachen auch genauso. «
    » Es kann aber trotzdem stimmen, Edmond. Miss Jane hat erzählt, dass in der letzten Zeit häufiger Kariben von anderen Inseln kommen. Sie werden überall auf den Antillen vertrieben, von Spaniern, Franzosen, Engländern– dort, wo neue Kolonien entstehen, werden Plantagen angelegt und die Eingeborenen verjagt. Miss Jane hat gesagt, Indianer lassen sich nicht versklaven. Eher essen sie Erde, bis sie sterben. Also werden sie umgebracht, oder sie fliehen und suchen sich eine neue Heimat. Miss Jane meinte, dass auch schon schwarze Sklaven hergekommen sind, die sich in den Bergen verstecken. Auf Dominica können sie sich noch sicher fühlen, denn es herrscht Frieden zwischen den Eingeborenen und den Weißen, weil hier kein Land für den Zucker gebraucht wird. « Sie hielt inne. Oleg wandte sich ab und stapfte durch den Sand davon, während Edmond bedauernd den Kopf schüttelte.
    » Er sieht immer nur das Schlechte in den Menschen « , sagte er.
    Deirdre lag der Hinweis auf der Zunge, dass gesundes Misstrauen lebensrettend sein konnte, doch dann schwieg sie lieber, denn Edmonds Glaube an das Gute im Menschen war unerschütterlich. Er würde sich sowieso nicht vom Gegenteil überzeugen lassen.
    » Komm, wir gehen zurück « , sagte sie. Die Freude am gemeinsamen Spaziergang war ihr gründlich verdorben.

14
    U nter Duncans Aufsicht befestigten die Männer die Holzstämme am Ladekran und hievten sie einen nach dem anderen an Deck der Elise. Er hatte die Bäume zerlegen lassen, doch die einzelnen Stücke waren teilweise immer noch länger als ein Mann und entsprechend schwer. Besonders das Blauholz würde viel Geld bringen, denn neben Indigo war es die wichtigste Pflanze zur Gewinnung blauen Farbstoffes.
    John Evers stand neben ihm auf dem Steg und wischte sich den Schweiß ab. Sein kantiges Gesicht spiegelte Zufriedenheit wider. Der Bootsmann konnte es kaum erwarten, dass sie endlich in See stachen. Für ein Leben an Land war er nicht gemacht, er brauchte Schiffsplanken unter den Füßen und die Bewegungen der Wellen, um sich wohlzufühlen. Duncan war es in der Vergangenheit oft ähnlich ergangen, er hatte es selten lange an Land ausgehalten. Seit er eine Familie hatte, war das anders. Sein erklärtes Ziel war es seitdem, für Elizabeth und die Kinder ein Heim zu schaffen. Früher hätte er nie geglaubt, dass er zu solchen Gefühlen imstande sein konnte, doch sein Beschützerdrang und der Wunsch, Elizabeth glücklich zu machen, bestimmten mittlerweile sein Leben in einem solchen Ausmaß, dass seine Männer bereits anfingen, ihn für verweichlicht zu halten. Aber was andere von ihm dachten, hatte ihn noch nie groß gekümmert. Allen heimlichen Spötteleien zum Trotz würde er die Elise niemals aufgeben, zumindest nicht freiwillig. Allerdings würde er künftig ein anderes Leben führen als früher, eines, das nicht in dem Maße mit Gefahren behaftet war wie das Freibeuterdasein, jedoch tunlichst genug Verdienst abwarf, damit er Elizabeth ein standesgemäßes Leben bieten konnte.
    » Pass mit dem Seil auf! Das sieht schon mitgenommen aus, es könnte reißen « , rief Duncan einem der Männer zu, der gerade einen Strick an einem sechs Fuß langen Baumstück befestigte. Der Mann ging unverzüglich eine neue Seilrolle holen. Mochte auch der eine oder andere aus der Besatzung den Kapitän für sanftmütiger als früher halten– seine Befehle stellte keiner infrage.
    » Sieh mal, da kommt ein Schiff in den Hafen « , sagte John. Er beschirmte mit der Hand seine Augen gegen die Sonne. » Eine Fregatte. Scheint ein Engländer zu sein. «
    Duncan nahm sein Fernrohr vom Gürtel und spähte hindurch. Vor der Linse erschien gestochen scharf ein Segler, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Der Rumpf war vom Salzwasser ausgelaugt, die Aufbauten wurmstichig. Oben am Mast wehte die englische Flagge.
    » Du hast recht « , sagte er. » Hab den Kahn noch nie gesehen, aber er fährt unter der Fahne des Commonwealth. «
    Gemeinsam sahen sie zu, wie das Schiff in die Bucht einlief und in nicht allzu weiter Entfernung von der Elise vor Anker ging. Ein Beiboot wurde zu Wasser gelassen. Drei Männer stiegen über die Strickleiter hinein, einer von ihnen ergriff die

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