Wind der Traumzeit (German Edition)
Leise stand sie auf und beschloss, den Frühstückstisch zu decken, alles vorzubereiten und die Kerzen für Marie anzuzünden. Bevor sie ins Bad ging, sah sie erneut zur Uhr. Sie konnte es kaum erwarten. Eine Stunde später kam Marie mit einem verlegenen Lächeln die Treppe herunter und ließ sich gratulieren. Der Geburtstagstisch war – wie in jedem Jahr – hübsch dekoriert, und die Kerzen leuchteten. Sie packte ihre Geschenke aus, die vorwiegend aus Büchern und Reitutensilien bestanden, bedankte sich und scherzte mit Sophie, die staunend zusah. Nach einer Weile bemerkte Nora den suchenden Blick, mit dem Maries Augen über den Tisch wanderten. Sie registrierte den Anflug von Enttäuschung, den ihre Tochter tapfer zu verbergen versuchte. Nora legte einen Arm um sie.
»Du denkst doch nicht, Papa hätte dich vergessen?«
Marie lief rot an. Sie zuckte mit den Schultern. »Na, vielleicht hat die Post ja länger gebraucht.«
Nora biss sich auf die Lippe und sah erneut zur Uhr. Sie nickte Tom zu, der geschäftig mit einem Saftkrug zum Frühstückstisch ging. Er wandte sich um. »Komm, Marie, wir wollen an deinem Geburtstag ganz in Ruhe frühstücken.« Er bückte sich und hob Sophie in ihren Hochstuhl.
Nora band der Kleinen ein Lätzchen um und setzte sich neben sie.
Tom sah sich scheinbar suchend um. »Ach, es fehlt noch Milch. Ich hole welche.« Er verschwand durch den Nebeneingang nach draußen in die Garage. Gleich daraufsah Nora ihn den kleinen Pfad hinter dem Haus entlanglaufen. Sie unterdrückte nur mit Mühe ein Schmunzeln und kümmerte sich um Sophie. Marie erzählte munter, was sie heute in der Schule erwartete und wen sie gerne einladen würde. Etwa fünf Minuten später schaute sie verwundert auf, als Hufschlag zu vernehmen war. Durch das Fenster zur Veranda war Tom zu sehen, der ein überaus sorgfältig gestriegeltes Pferd führte.
Marie blieb sekundenlang sprachlos sitzen. Sie errötete bis unter die Haarwurzeln, als sie auch noch eine kleine rote Schleife am Halfter entdeckte. »Aber das ist ja Chocolate!«
Nora freute sich riesig über die gelungene Überraschung. Sie stand auf, umarmte ihre Tochter und küsste sie herzhaft auf die Wange. »Dein Vater hat dich selbstverständlich nicht vergessen, Marie. Chocolate gehört jetzt dir.«
Marie schluckte. Sie umarmte Nora stumm und lief dann nach draußen, wo Tom schon auf sie wartete. Er sah lachend an sich hinunter. »Endlich kommst du. Sie hat mich schon zweimal ordentlich angeschnaubt. Jetzt muss ich mich für meine Patienten noch mal umziehen.«
Marie umarmte ihn, und er strich ihr über den Kopf. »Schon gut, Marie. Hauptsache, du kümmerst dich gut um sie. Bring sie den Pfad hinunter zurück. Vorne an der Abzweigung wartet Michael mit dem Auto und dem Hänger. Er fährt sie wieder in den Stall.« Er zwinkerte ihr zu. »Diese Überraschung war uns aber alle Mühe wert.«
Marie rang immer noch nach Fassung. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Seit sie in den Kindergarten gegangen war, hatte sie sich ein eigenes Pferd gewünscht. Schließlich sah sie zu Tom auf. »Hilfst du mir raufi«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Ohne Sattel, Trense und Reitkappe? Das ist zu gefährlich Marie. Führ sie lieber.«
»Na gut.« Sie klopfte der Stute strahlend den Hals und verschwand mit ihr auf dem kleinen Pfad. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.
Nora kam mit Sophie auf dem Arm nach draußen, während Tom ihnen entgegenging. Er küsste sie und grinste. »Na, diese Überraschung hat sie förmlich sprachlos gemacht.«
21
D er Garten lag im Licht der untergehenden Sonne. Es war schon spät, und doch war die Umgebung von den Geräuschen des Outback, das an die Ausläufer der kleinen Stadt grenzte, erfüllt. Die Luft hatte sich nur sehr langsam ein wenig abgekühlt, und ein lauer Wind strich durch duftende Sträucher. Das Zirpen der Zikaden schien heute kein Ende nehmen zu wollen.
Nora hatte die Kinder zu Bett gebracht und stand unschlüssig auf der Veranda. Sie war erschöpft, denn die frühsommerliche Wärme des Tages hatte sie müde gemacht. Sie ging langsam die Stufen in den Garten hinunter und schlenderte den staubigen Weg entlang ums Haus herum. Sie vermisste plötzlich Kuno. Wenn sie in Hamburg im Garten gewesen war, hatte er sie stets auf Schritt und Tritt begleitet – auch um ihr ständig seinen Ball vor die Füße zu legen. Sie sah seine klugen braunen Augen im Geiste vor sich und seufzte, ehe sie weiterging. Hier und da blieb sie
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