Wind der Traumzeit (German Edition)
ganz fur Niklas da sind. Ich habe zwar versucht beruflich etwas kürzer zu treten, aber du weißt ja, wie das ist.«
Alexander nickte. »Ja, ich kenne diese Scheißsituation. Im Job erwarten alle weiter volle Leistung, ansonsten ist man weg vom Fenster, und innerlich zerreißt es einen, wenn man an das Kind denkt, das zu Hause sehnsüchtig auf einen wartet und dessen einziger Halt man womöglich ist. Patrick hat mehr als einmal stundenlang auf mich gewartet und war tief verletzt, weil ich einen zugesagten Ausflug oder einen Nachmittag mit ihm am PC nicht einhalten konnte.«
Max atmete schwer aus. »Niklas macht total dicht. Ich erfahrekaum etwas aus der Schule oder von seinen Freunden. Ich weiß auch nicht, wie er die Trennung von Nora und Marie wirklich weggesteckt hat. Manchmal macht es mich ja selbst rasend, dass meine Tochter so weit fort ist.«
Alexander nickte. »Und Nora? Sie hat bestimmt auch Schwierigkeiten, mit der Trennung von Niklas klarzukommen. Ich höre das manchmal aus ihren E-Mails heraus.«
Max runzelte verärgert die Stirn. »Das weiß ich nicht. Es war schließlich ihr Wunsch, nach Australien zu gehen.« »Ich bin mir sicher, sie leidet sehr darunter, Nicky nicht mehr um sich zu haben.« Alexander bemerkte Max’ Unmut und wechselte daher das Thema. »Es ist wirklich schön, dass ihr hier seid. Patrick war vor Freude ganz aus dem Häuschen. Natürlich hat er inzwischen auch hier in Hannover gute Freunde gefunden, aber du weißt ja, Niklas ist fast so etwas wie ein Bruder für ihn.«
Max nickte. »Ja, das ist für Nicky wohl ähnlich.« Unvermittelt beugte er sich vor und stützte den Kopf in die Hände. »O Gott, Alex, ich hab Angst, dass er so ernst und verstockt bleibt, wie er jetzt seit Wochen ist. Ich komme nicht mehr richtig an ihn ran. Manchmal hab ich das Gefühl, er funktioniert nur noch. Er lebt, atmet, geht zur Schule, isst, macht Schularbeiten, geht zum Sport und kommt wieder nach Hause. Sobald das Thema auf seine Mutter oder Marie kommt oder auch nur ganz banal im Fernsehen der australische Kontinent erwähnt wird, versteinern seine Gesichtszüge.« Er sah fast verzweifelt auf. »Bleibt das so? Wird er nie wieder locker und unverkrampft sein? Ist er jetzt schon ein verstockter Erwachsener?«
Alexander überlegte einen Moment, dann sagte er: »Max, er hatdie beiden nicht verloren. Sie leben noch. Er muss jetzt erst einmal die Distanz verdauen, die plötzlich da ist. Und ich denke, die seelische Distanz macht ihm im Moment mehr zu schaffen als die örtliche. Er leidet mit Sicherheit darunter, dass Nora nicht mehr hier ist, aber er solidarisiert sich auch dermaßen mit dir, dass er ihr nicht verzeihen kann.«
Max presste kurz die Lippen aufeinander. »Ich könnte ihn jetzt tatsächlich nicht auch noch verlieren.«
»Das spürt er. Und darum vermeidet er krampfhaft alles, was die Sprache auf Nora oder Marie bringen könnte. Du selbst musst lockerer werden, ihm signalisieren, dass es okay ist, mit den beiden in Australien Kontakt zu halten. Ja, dass es sogar wichtig ist.« Max schlug mit der Hand auf die Sessellehne. »Ach Scheiße! Das hört sich alles so wahnsinnig sozial und toll an. Nora lebt in Australien ihr aufregendes neues Leben, und ich kann zusehen, wie wir hier mit den Trümmern fertig werden, die sie hinterlassen hat.«
Alexander nickte. »Ja, das stimmt vielleicht, aber warum baust du dir nicht ebenfalls ein tolles neues Leben auf, hm? Was hindert dich daran?«
Max sah ihn ungläubig an. »Zuallererst mein Sohn. Denkst du, ich mag ihm jetzt auch noch’ne neue Frau zumuten? Abgesehen davon, dass ich selbst erst mal bedient bin.« Alexander lachte. »Du musst ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Aber du solltest auch nicht mit Scheuklappen durchs Leben gehen.«
Max lächelte spöttisch. »Du sprichst wohl aus Erfahrung, hm? Obwohl du ja offensichtlich nicht mit Scheuklappen durchs Leben gehst, haben wir hier doch auch noch nie eine Frau gesehen.«
»Es hat sich eben noch nicht ergeben … Und Sophie war … sie war …«
Max unterbrach ihn. »Schon gut. Das war nicht fair von mir. Entschuldige.« Er hob mit einem erneuten spöttischen Grinsen sein Glas. »Kommt Zeit, kommt Rat. Prost, Alex.«
23
E inige Tage später hatte Nora schläfrig geblinzelt, als die Schlafzimmertür geöffnet wurde. Tom setzte sich auf seine Bettkante und stellte den Wecker, bevor er sich zufrieden seufzend in sein Kissen fallen ließ.
Nora streckte einen Arm aus und legte
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