Wind des Südens
mich hängen! Kein Name, Sir. Ich hab keine Frau angefasst. Lauter Lügen.«
Tim, der neu war im Norden und bisher noch keinem Asiaten begegnet war, kam in den Sinn, dass diese andere Sitten und Bräuche hatten als zivilisierte Völker. Wer weiß, vielleicht gaben sie einander nicht einmal Namen. Aber … wie auch immer, er hatte keine Zeit, sich noch länger mit diesem Problem zu befassen, und deshalb gab er dem Kerl einfach selbst einen Namen. Den ersten, der ihm einfiel. Er taufte ihn nach seinem Leibgericht und schrieb in die Akte: »Lam Fry. Vergewaltiger.«
Mehrere Wege führten über die Bergkette. Begierige Goldgräber waren zu ungeduldig, um hinter schwer beladenen Fußgängern und langsamen Karren in der Schlange zu gehen, und es passte ihnen nicht, zur Seite ausweichen zu müssen, um Platz für den Verkehr bergab zu machen. Deshalb schufen sie neue Routen.
Sergeant Gooding schickte Männer aus, um Reisende zu warnen und ihnen zu empfehlen, sich in Gruppen zusammenzutun.
»Der Höhenzug heißt nicht umsonst Battle Camp Range«, erklärte er Lewis, der zurückgekommen war, nachdem er Mrs. Horwood bei ihrem Gatten in Cairns abgeliefert hatte. »Die ersten Goldgräber hatten auf ihrem Weg höllisch zu kämpfen. Auf halbem Weg wurde ein Lager von einer Horde Wilder überfallen. Tagelang hielten sie die Goldgräber umzingelt und erlegten sie einzeln mit ihren Speeren. Sie hätten das gesamte Lager ausgelöscht, wenn nicht Verstärkung mit Nachschub an Munition gekommen wäre und die Teufel verjagt hätte.«
»Die Schwarzen sind mittlerweile wohl ruhiger geworden?«
»Sie meinen, weil sie jetzt unsere Gewehre kennen gelernt haben? Nein, sie sind nur vorsichtiger, greifen nicht mehr frontal an, wie in diesem Lager. Sie sind schlauer geworden und verdammt gefährlich.« Er schob sich den Hut in den Nacken und kratzte sich am Kopf.
»Es ist einfach unmöglich, auf dieser Route Leute zu beschützen. Zu viele werden umgebracht, aber was soll ich tun? Sie müssen das Risiko eben eingehen.«
»Trotzdem muss ich zu diesen Goldfeldern«, sagte Lewis.
»Wie bitte? Gestern Abend haben Sie zugesagt, dass Sie in Cooktown bleiben.«
»Ich hatte keine Lust auf Diskussionen, Sergeant. Es ist zwingend, dass ich mich unverzüglich auf den Weg mache. Wir wissen, dass die Meuterer alle dort sind. Ich brauche sie lediglich zu identifizieren. Wenn nötig, reise ich allein.«
Gooding zuckte mit den Schultern. »Wieso ›wenn nötig‹? Haben Sie erwartet, dass ich Ihnen eine Eskorte mitgebe?«
»Offenbar haben Sie meine Hilfspolizisten vergessen. Sie sind mit dem erklärten Ziel hierher gekommen, die Meuterer zu finden und zu verhaften. Sie haben jetzt wochenlang ihre Hilfe in Anspruch genommen, aber jetzt bin ich zurück und benötige ihre Unterstützung. Ich hoffe einfach nur, dass Sie mich nicht zwingen, allein zu reisen.«
»In Ordnung, nehmen Sie sie mit, aber vergessen Sie nicht, dass sie Zivilisten sind, Freiwillige. Sie sind für diese Männer verantwortlich, Mr. Lewis. Und Sie sollten verdammt noch mal dafür sorgen, dass die Leute wissen, worauf sie sich einlassen.«
Sie schliefen fest, alle drei, als Bartie Lee unter seiner Decke hervorschlüpfte und den Tunnel entlang nach draußen schlich. Er kannte seinen Weg genauestens und musste sich beeilen. Die letzten paar Stunden waren entsetzlich für ihn gewesen, die Zeit hatte nicht vergehen wollen. Jedes kleine Geräusch – das Scharren einer Ratte, rieselnde Erde, Steine, die sich aus der unregelmäßigen Stollendecke lösten – hatte die Angst in ihm entfacht, die Angst, womöglich zu viel des Guten getan zu haben, als er die ohnehin unzulänglichen Latten gelockert hatte, die die Wände abstützten.
Er atmete schwer, schnaubte beinahe wie ein Pferd, als er den Hauptstützpfeiler am Eingang zur Höhle, in der die Männer schliefen, zur Seite trat … und um sein Leben rannte, fort von der Staubwolke, von der plötzlichen Bodenerschütterung, als der Stollen in sich zusammenfiel.
Doch alles blieb still. Die Schlafenden in den Zelten hörten nichts. Ein Hund bellte hysterisch etwas Ungewohntes an, überlegte es sich anders und schlief weiter. Über ihm flatterte ein Fliegender Hund, und
Weitere Kostenlose Bücher