Wind des Südens
lebendig.«
»Warum ist sie fort? Ich meine, wie ist es dazu gekommen?«
»Ich weiß es nicht. Fragen Sie ihren Alten.«
Er fragte ihn. Horwood lag vollständig bekleidet auf dem Bett. Er hatte nicht die geringste Ahnung, warum Constance das Hotel verlassen haben könnte.
»Sie war nicht mehr im Zimmer, als ich spät am Abend wieder nach oben kam.«
»Sie waren allein beim Abendessen?«
»Ja. Sie wollte hier im Zimmer allein bleiben.«
»Warum? Sie ist eine attraktive Frau. Man möchte doch meinen, sie würde gern mit Ihnen und Ihren Freunden zusammen speisen.«
»Meine Frau nicht. Sie ist ein sehr zurückgezogener Mensch.«
»Wie war sie denn gekleidet?«
»Ich weiß es nicht.«
»Es ist wichtig, Sir, für die Suche. Was hatte sie denn an, als Sie zum Essen hinuntergingen?«
»Na gut, lassen Sie mich überlegen. Ein blaues Kleid. Aus Baumwolle, nichts Modisches.« Er blickte um sich. »Ich sehe es hier nirgends, und sie hätte es nicht in den Schrank gehängt, wenn es schon getragen war. Es wäre zum Waschen gegeben worden. Also wird sie es anhaben.«
»Gut. Sehr gut. Einen Hut trug sie vermutlich nicht?«
»In der Öffentlichkeit tragen Damen Hüte, und meine Frau wird einen Hut getragen haben, es sei denn, sie wäre jetzt völlig verrückt geworden.«
Jesse verstand den Hintersinn. »Glauben Sie, das könnte das Problem sein? Dass sie vielleicht nervlich nicht stabil ist oder irgendwie zur Hysterie neigt?«
»Ganz sicher nicht. Wie können Sie es wagen, so etwas über meine Frau zu behaupten?«
»Das, was sie durchgemacht hat, die Entführung, es könnte doch Auswirkungen haben. Sie muss ja Todesängste ausgestanden haben.«
»Mrs. Horwood ist jung und gesund. Manche andere Frau hätte das niemals ausgehalten. Es ist nun mal geschehen, aber ihr wurde kein Haar gekrümmt. Also reden wir nicht mehr darüber.«
»Gut. Haben Sie eine Ahnung, warum sie zu so später Stunde in einer Stadt in der Wildnis wie Cairns einen Spaziergang machen würde? Es ist nicht eben die Park Lane, oder?«
»Damen gehen auch auf der Park Lane nicht am späten Abend allein spazieren, das können Sie mir glauben.«
Jesse blickte durch die Fenstertüren hinaus auf die düsteren Wolken, bevor er seinen Hut nahm und sich anschickte, das Zimmer zu verlassen. »Dieses Verhalten ist offenbar völlig untypisch für Mrs. Horwood, und deshalb wäre es äußerst wichtig, die Beweggründe zu ermitteln. Können Sie sich vorstellen, dass sie vor etwas davongelaufen ist?«
»Wovor denn wohl?«
Jesse zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen: »Das genau will ich ja von Ihnen wissen.«
»Davongelaufen? Blödsinn. Verdammt kindisch, einfach wegzugehen und sich dann zu verirren.« Lyle wedelte gereizt mit den Händen. »Typisch für blöde Frauen. Sie wissen es nicht zu schätzen, wenn es ihnen gut geht. Mr. Field, würden Sie jemanden beauftragen, mir frischen Tee heraufzubringen? Und etwas zu essen. Ich komme um vor Hunger.«
»Gern, Sir.«
Jesse besuchte Mrs. Plummer, bevor er das Hotel verließ, doch auch sie hatte nicht die geringste Vermutung, wo Mrs. Horwood sich aufhalten könnte.
»Ich bin in großer Sorge um das Mädchen, aber ich kann Ihnen wirklich nicht helfen. Ich kenne Lyle schon lange, habe Mrs. Horwood aber erst auf dem Schiff kennen gelernt, am Tag der Meuterei. Und seit Mr. Lewis sie zurückgebracht hat, verkriecht sie sich in ihr Schneckenhaus. Wir sehen sie nicht oft.«
»Was ist mit Mrs. Caporn? Beide sind doch von den Meuterern angegriffen worden. Pflegen sie Kontakt?«
»Nein. Esme Caporn hat mehrmals versucht, Mrs. Horwood zu besuchen, doch ihr Mann sagt, sie sei nicht in der Lage, Gäste zu empfangen.«
»Glauben Sie, er lässt keinen Besuch zu ihr?«
»Zuerst habe ich es geglaubt«, sagte sie, »aufgrund von Erfahrungen, die hier nicht wichtig sind, aber die Dienstmädchen sagen, das sei überhaupt nicht der Fall. Sie sagen, Mrs. Horwood will niemanden sehen, und allein das Ankleiden sei schon zu viel der Mühe für sie.
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