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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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sein Besitzer, und führte es zum Trog, wo es gierig trank. Sie band es an einem Posten an und ging zurück an ihre Arbeit.
            Eine Stunde später näherte der Fremde sich ihr so geräuschlos, dass Tessie zusammenfuhr, doch er bedankte sich nur und wollte sich wieder auf den Weg machen.
            »Hier«, sagte sie. »Stecken Sie sich ein paar Tomaten in die Tasche, Sir. Die schmecken gut.«
            »Sehr freundlich von Ihnen, Missus.« Er nahm die Früchte dankend an.
            Am Tor drehte er sich um und winkte ihr zu, und Tessie atmete erleichtert auf. Sie hatte die von Fußeisen stammenden Narben an seinen Knöcheln gesehen, und sie wusste, dass er ein Zuchthäusler war, hatte jedoch keine Ahnung, ob er seine Zeit abgeleistet hatte oder geflohen war.
            »Geht mich nichts an«, sagte sie zu sich selbst. Aber sie hätte schon gern gewusst, wer der Fremde war.
             
            Ted wusste es, und als er seine Frau aufklärte, platzte Jake fast vor Aufregung.
            »Er war hier, Ma? Dinny Delaney?«
            »Sieht ganz so aus. Es war ein Ire, ein kräftiger Kerl mit schwarzem Haar und schwarzem Bart, schon grau gesprenkelt.«
            »Er ist berühmt! Ein Buschklepper. Hat drüben in den Hügeln seine Bande.«
            Tessie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was er dann hier zu suchen hatte. Er scheint nicht sehr erfolgreich zu sein. Hungrig wie ein Wolf war er.«
            »Er war in der Stadt, Mutter«, erklärte Ted. »Um sein Liebchen zu besuchen, wie man so hört. Aber irgendwer hat ihn verraten, und Sergeant Hawthorne hätte ihn beinahe geschnappt. Hat ihm immerhin sein Pferd abgejagt, und Delaney musste zu Fuß flüchten. Sie suchen ihn schon seit Tagen, also wird er sich wohl versteckt haben.«
            »Genau!«, rief Jake. »Er hat sich versteckt, und sein Hunger wurde immer größer, bis er die Möglichkeit hatte, ein Pferd zu klauen.«
            »Das Pferd war gestohlen?«, fragte Tessie.
            »Ja. Aus Porky Grimwades Stall. Hat Delaney gesagt, wohin er will?«
            »Hör gut zu«, sagte Ted streng. »Er ist nie hier gewesen, stimmt’s, Mutter? Du hast überhaupt keinen Fremden gesehen.«
            »Keine Menschenseele«, antwortete sie und blickte Jake streng an. »Seit es die neue Straße gibt, sehen wir nie Leute auf diesem Weg hier. Vergiss das nicht! Prahl nicht mit der Geschichte vor deinen Freunden, und bring mich nicht in Schwierigkeiten. Wahrscheinlich war er es sowieso nicht.«
            Jake nickte grinsend. Er hätte seinen Freunden ohnehin nichts erzählt, denn Dinny Delaney hatte ja gesagt, er würde zurückkommen, um fürs Essen zu bezahlen. Und Jake war sicher, dass er das tat. Er konnte es kaum erwarten.
             
            Und er behielt Recht. Eines frühen Samstagmorgens ritt Delaney den Hügel hinauf. Wie ein Gespenst im Nebel, dachte Jake und rannte ihm entgegen.
            »Ist dein Dad zu Hause?«, fragte der Buschklepper.
            »Mein Dad? Ja.« Jake stürmte ins Haus, doch Ted war bereits auf dem Weg nach draußen, das Gewehr in der Hand.
            »Himmel, Dad, du wirst ihn doch nicht erschießen!«, schrie Jake.
            Ted drängte sich an ihm vorbei. »Beruhige dich. Ich will nur dafür sorgen, dass er mich nicht erschießt.«
            »Nicht schießen!«, schrie Delaney. »Ich bringe was für Ihre Missus. Nur ein paar Kleinigkeiten, weil sie freundlich zu einem Fremden war, und zwei Shilling für mein Mittagessen.«
            Nach Teds Meinung sah er in seiner Schaffelljacke, mit dem säuberlich gestutzten Bart und dem breitkrempigen Lederhut eher wie ein Siedler aus, nicht wie ein Buschklepper. »Sie sind Delaney?«, fragte er nervös.
            »Zu Ihren Diensten, Sir«, erwiderte der Fremde, schwang sich behände aus dem Sattel und schnallte eine Satteltasche auf. »Ich habe hier ein wenig Waldhonig und eine Dose mit Kaffeebohnen, und die zwei Shilling.«
            Er überreichte die Gaben, und um sie entgegenzunehmen, musste Ted sich der Büchse entledigen, die er behutsam neben der Haustür an die Mauer lehnte.
            »Und ob ich wohl ein Wörtchen mit Ihnen reden könnte, Sir?«, bat Delaney.
            »Worüber?«
            »Geschäftliches. Darf ich reinkommen? Ich mache Ihnen keine

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