Wind des Südens
unterbringen.«
»Nun ja, das ist immerhin ein Anfang«, tröstete Ted seine Frau. »Es ist gar nicht so schlecht, sofort eine Stelle zu bekommen. Da können wir für unsere Farm sparen.«
»Ja. Ich glaube, es ist sogar besser so, Ted. Ohne Geld wäre es sehr schwer, eine Farm aufzubauen. Wir suchen uns eine Unterkunft in der Stadt, und wenn das Baby da ist, kann ich auch arbeiten.«
An jenem höchst bedeutsamen Samstagmorgen saß Tessie vor dem Gefängnis auf einem Stein, während Ted zu einem Vorstellungsgespräch mit Sergeant Skorn hineingeführt wurde. Er wurde hochoffiziell registriert als Wärter im Gefängnis Ihrer Majestät in Goulburn in der Kolonie Neusüdwales. Man hielt ihm einen Vortrag über seine Pflichten und über den Distrikt Goulburn, der laut Skorns Erklärung ein Zentrum des aus Wolle und Viehzucht gewonnenen Wohlstands sei.
Der Sergeant hört sich wohl gern reden, dachte Ted, bemerkte jedoch Tessie gegenüber: »Ich bin höflich geblieben, obwohl ich kaum noch sitzen konnte auf dem harten Stuhl.«
Es kam ihm vor, als hätte Skorn einen Spleen hinsichtlich der Hierarchie in der Gefängniswelt. Er wies ihn nämlich an, sobald er in Goulburn wäre, nicht zu vergessen, dass er sich von der Towrang-Meute fern halten sollte. Dabei handelte es sich offenbar um eine Strafkolonie, eine Baustelle, auf der Strafgefangene arbeiteten, bewacht von einem in Goulburn stationierten Regiment.
»Und mach auch einen Bogen um die Polizei. Der Bezirk Goulburn und die Hügel drum herum wimmeln von Buschkleppern. Aus diesem Lager brechen immer wieder Sträflinge aus, verstehst du?«
Ted nickte.
»Deswegen gibt es dort ein großes Polizeiaufgebot. Hauptsächlich berittene Polizei. Sie haben ein Gerichtsgebäude und einen Knast, ihre eigenen Hütten und Häuschen und sogar eine Polizeikoppel für ihre Ersatzpferde. Werden behandelt wie Prinzen, diese Soldaten und Bullen, aber wir haben nichts mit denen zu schaffen. Verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Lass dich nicht mit denen ein. Was in unseren Gefängnissen vor sich geht, hat nichts mit denen zu tun. Wir haben gewöhnliche Sträflinge in unseren Gefängnissen, nicht diese Schwerverbrecher. Wenn es nach mir ginge, würde ich sie alle ersäufen, bevor sie überhaupt dort ankommen. Einfach über Bord stoßen. Also, hier musst du unterschreiben …«
Es dauerte nicht lange, bis Ted der Witz zu Ohren kam, dass Skorns Großeltern Sträflinge gewesen waren, wenngleich er das nie zugab. Sie verbüßten ihre siebenjährige Strafe und ließen sich dann in den Randbezirken von Sydney als Milchbauern nieder.
Der von vier Pferden gezogene Wagen hatte hohe Bretterseiten zum Schutz der Passagiere, die auf der Ladefläche zwischen Säcken voll Zucker und Mehl saßen. Als einzige Frau auf dieser Fahrt durfte Tessie vorn beim Kutscher sitzen, was ihr ganz recht war, denn zwischen den anderen Reisenden herrschten Spannungen, wie sie nervös bemerkte. Augenscheinlich weigerte sich der Gefängniswärter, der Ted begleitete, mit aneinander geketteten Sträflingen und deren Polizeieskorte zu reisen, doch er wurde überstimmt.
»Hat sowieso nichts zu sagen«, erklärte der Kutscher Tessie. »Polizisten stehen rangmäßig über den Wärtern.«
Sie schaute sich um und sah sechs Männer mit schwarzgelb gestreifter Gefängniskluft unter den wachsamen Augen und Schlagstöcken von vier Polizisten unbeholfen auf den Wagen steigen. Als alle einen Platz gefunden hatten, brach man auf.
»Wo genau liegt Goulburn?«, fragte sie den Kutscher.
»An der Great South Road, Missus. Etwa hundertundzwanzig Meilen von hier, mit etwas Glück.«
»Nie im Leben!«, hauchte sie. »Wir hatten keine Ahnung, dass es am anderen Ende des Landes liegt. Das hat mein Ted nicht gewusst!«
Sie drehte sich um und versuchte, Ted auf sich aufmerksam zu machen, doch er wurde vom breiten Rücken eines Sträflings verdeckt.
»O Gott«, sagte sie.
»Ist nicht so schlimm, Missus. So lernen Sie das Land kennen. Ist wirklich schön. Diese Sträflinge, die tun Ihnen schon nichts. Die armen Kerle, entschuldigen Sie, aber für sie ist es wie Urlaub, auch wenn sie Fußeisen tragen. Sie werden da rausgeschafft, um
Weitere Kostenlose Bücher