Wind des Südens
aus Sorge um seine Pferde sein Tempo drosseln musste und deshalb weit hinter seinen Zeitplan zurückfiel.
Es waren weniger Goldgräber unterwegs als erwartet. Manchmal begegnete Jake tagelang keiner Menschenseele, doch das kam ihm sehr zupass. Hier war er in seinem Element. Niemand erwartete von einem einsamen Reisenden im Busch, dass er Gesellschaft oder die Gelegenheit zu einem Gespräch suchte; ein Mann hatte ein Recht darauf, allein zu sein, und dieser Grundsatz verschaffte auch Jake eine Verschnaufpause. Außerdem ritt er gern und glaubte, sich nach all der harten Arbeit auf den Goldfeldern ein bisschen Spaß verdient zu haben.
Willoughby, der Schlaumeier, hatte offenbar erraten, dass er sich den Bart abnehmen würde, und deshalb eine Zeichnung von ihm mit glatt rasiertem Gesicht verbreitet. Dank des dunklen Bartes, der inzwischen wieder sein Aussehen veränderte, fühlte Jake sich ein wenig sicherer, war aber immer noch auf der Hut. Wie er wusste, bestand die wirkliche Gefahr hier draußen darin, dass er sich verletzte oder ein Pferd verlor; zu Fuß kam man in dieser Hitze nicht weit, und Fahrzeuge waren hier kaum unterwegs. Deshalb ritt er in gemächlichem Tempo und musterte dabei interessiert die Umgebung. Ihn faszinierten die Tafelberge, die sich in der Ferne erhoben, die artenreiche Tierwelt, die Emus und Kängurus, die gewaltigen Vogelschwärme und die Rinder – die freilich nicht zu den heimischen Tierarten zählten! Besonders die Rinder behielt er im Auge, da er vermutete, dass es irgendwo in der Nähe eine Farm oder zumindest eine Stationshütte geben musste, was im Notfall von Vorteil sein konnte.
In der zweiten Woche seiner Reise stieß Jake auf einige tote Rinder, die erst vor kurzem getötet worden waren. Entgeistert starrte er auf die Kadaver und fragte sich, welcher Wahnsinnige wohl Vieh auf diese Weise niedermetzelte, anstatt zu erprobten Methoden des Schlachtens zu greifen. Dann jedoch sah er einige Dingos auf sich zulaufen, die vermutlich den Blutgeruch gewittert hatten, riss sein Pferd herum, und trat, das Packpferd am Zügel, rasch den Rückzug an. Offenbar hatten Aborigines die Rinder aus reiner Boshaftigkeit mit ihren Speeren niedergestreckt, um den Weißen eine Lektion zu erteilen, weshalb es das Beste war, sich eilig zu verdrücken. Während Jake davongaloppierte, bedauerte er es, das frische Fleisch zurücklassen zu müssen. Die Schwarzen hatten sich zwar nicht die Mühe gemacht, ihre Beute zu zerlegen, doch er wusste, dass die Dingos ihn nie an ihr Festmahl heranlassen würden, wenn er sie nicht alle erschoss.
In der dritten Woche gingen ihm die Vorräte aus, so dass er sich von Wildgeflügel und Zwergkängurus ernähren musste. Zu seinem Erstaunen gab es am Straßenrand keine Hütten, in denen man Proviant verkaufte. Er hatte Packpferde beobachtet, die einen beladenen Wagen zogen, aber dieser wurde einigen Reitern begleitet, die das Gefährt über das schwierige Gelände lotsten. Am liebsten hätte Jake die Männer angesprochen und ihnen ein paar Lebensmittel, und sei es nur Mehl und Tee, abgekauft, wenn ihm das nicht zu gefährlich erschienen wäre. Schließlich hätte Willoughby unter ihnen sein können.
Einige Tage später ritt er – vorbei an alten Felsenformationen und gewaltigen Bäumen, die sich in den blauen Himmel erhoben – in ein Tal hinab. In der Ferne erkannte er eine lange Reihe von Kulis, die den Pfad entlang zu einem Fluss trotteten. Wieder überlegte er, ob er sich ihnen nähern und ihnen etwas Reis abkaufen sollte, doch wiederum widerstand er der Versuchung. Es wäre Leichtsinn von ihm gewesen, sich bei Chinesen blicken zu lassen, wo er schon von weitem auffallen würde. Willoughby würde ihn sofort entdecken oder zumindest von seiner Anwesenheit hören. Gewiss war ihm klar, dass Jake Tussup die Gegend so schnell wie der Blitz verlassen hatte, sobald sein Bild an sämtlichen Hauswänden hing. Und auch, dass er nicht so dumm sein würde, die Küstenstraße zu nehmen, wo Polizisten und berittene Einheiten patrouillierten. Er fragte sich, ob Bartie Lee wohl inzwischen geschnappt worden war. Es war himmlisch gewesen, diesen Mistkerl endlich los zu sein und ihn nicht länger auf dem Hals zu haben. Damit hatte Willoughby ihm einen großen Gefallen getan. Nun war es wohl ratsam, dass er Willoughby in einen Hinterhalt lockte, ehe dieser ihm vielleicht noch zuvorkam.
Schließlich
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