Wind des Südens
war es Willoughby zu verdanken, dass er, Jake, nun von der Polizei und vermutlich auch von der gesamten Bevölkerung wegen Mordes gesucht wurde. Am liebsten hätte er den Schweinekerl höchstpersönlich abgeknallt, um diese Lüge ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Doch dazu war es zu spät, denn das Gerücht war bereits in der Welt. Deshalb war es wohl das Beste, sich an drei Regeln zu halten: Erstens durfte er sich nicht blicken lassen, zweitens musste er den Hodgkinson erreichen, und drittens war es wichtig, mehr Gold zu finden. Mit Geld konnte er sich Sicherheit erkaufen und irgendwie gegen diese Mordanklage angehen. Was die Meuterei betraf, so handelte es sich um eine Frage des Seerechts, von dem diese Hinterwäldler ohnehin nichts verstanden. Diesen Vorwurf konnte Jake jederzeit widerlegen, indem er einfach behauptete, die Asiaten hätten ihn gezwungen, das Schiff zu verlassen. Aber solange Willoughby ihn und Bartie Lee des Mordes am Bootsmann bezichtigte, steckte er in ernsthaften Schwierigkeiten. Mit Mord kannte sich die Buschpolizei nämlich aus, denn es handelte sich dabei in diesem Land, in dem ein Menschenleben keinen Pfifferling wert war, um ein allzu häufiges Verbrechen. Jake Tussup erschauderte: Bei der Rechtsprechung wurde hier nicht lange gefackelt. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie ein Pferdedieb in einer Siedlung am Rande der Goldfelder am Palmer an einem Baum aufgeknüpft worden war. Und was das Verhältnis zu den Aborigines betraf, so konnte man das nach seinen Beobachtungen nur als Kriegszustand bezeichnen, ganz gleich, wie die anderen es auch nennen mochten.
Seit einer Weile schon hörte er in der Ferne einen Fluss rauschen. Die Pferde, die das Wasser witterten, wurden schneller. Aber als sie schließlich das Ufer erreichten, schüttelte Jake verzweifelt den Kopf. Das war kein Fluss, sondern eine regelrechte Flut! Wegen des Glitzerns, das aus der riesigen Wasserfläche aufstieg, musste er die Augen zusammenkneifen. Er blickte flussabwärts, wo eine Fähre die Reisenden zum anderen Ufer brachte.
»Was jetzt?«, fragte er sich, während er die Pferde am Flussufer trinken ließ. »Wie komme ich auf die andere Seite, ohne mich zu zeigen und Gefahr zu laufen, dass jemand mich erkennt?«
Natürlich gab es keinen anderen Weg, und so beschloss er, an Ort und Stelle sein Lager aufzuschlagen, bis zur Abenddämmerung zu warten, dann unauffällig zur Fähre zu reiten und sich zuvor nicht am belebten Ufer sehen zu lassen.
Auf den Goldfeldern hatte er sich an die alten Kochrezepte von seiner Mutter erinnert, die bei den Menschen, denen er auf seinen Reisen durch Asien begegnete, unbekannt waren. Sie hatte aus Mehl, Wasser, einer Prise Salz, einem Stück Butter und einer Hand voll Korinthen so genannte Damper, den im Busch beliebten Brotersatz, gebacken. Auf diesem Ritt war an Butter natürlich nicht zu denken, die Korinthen gingen bald aus, und inzwischen hatte Jake auch den letzten Rest Mehl aufgebraucht, das ihn bei seinem Aufbruch aus Maytown die astronomische Summe von zehn Pfund für einen halben Sack gekostet hatte. Also kaute er an einem hart gewordenen Damper, eingetunkt in Sirup aus der Dose, und sparte sich die Mühe, in der Dämmerung ein Feuer anzuzünden, denn der Tee war ebenfalls aufgebraucht. Wie er so am Fluss saß, dachte er, wie absurd es im Leben häufig zuging: Er hatte Ersparnisse im Wert von fünfhundert Pfund bei sich und keine Möglichkeit, das Geld auszugeben. Ein Zwischenfall am Palmer fiel ihm ein, als ein Goldgräber, die Taschen voller Gold, beim Überqueren eines Flusses ertrunken war.
Ein Fisch sprang aus dem silbrigen Fluss. Ein Falke, der sich wie ein Stein aus dem blauen Himmel herabstürzte, griff sich den nächsten Fisch, der aus dem Wasser aufsprang, erhob sich eilig wieder und flog über den dichten Wald am anderen Ufer davon.
Jake, dem beim Anblick des Fisches das Wasser im Munde zusammenlief, wandte sich neidisch ab, um die Lage stromabwärts in Augenschein zu nehmen. Obwohl er nur die Fähre sehen konnte, die sich über den Fluss quälte, hörte er das Schlagen einer Axt, nahm den Duft von Gebratenem war und bemerkte das Rauchgekräusel von Lagerfeuern. Es musste sich um eine wichtige Kreuzung handeln, an der sich alle Straßen zur Fährstation trafen.
»Vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht«, überlegte er. »Inmitten einer
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