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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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weil er so ein Geheimnis daraus gemacht hat.«
            »Tja, aber es ist trotzdem eine Anstalt für Geisteskranke. Deshalb möchte er vermutlich auch nicht, dass sie Besuch bekommt. Ich bin schockiert, weil er dir etwas vorgeschwindelt hat. Der Mann muss doch wissen, was für ein Krankenhaus das ist. Und dann macht er dir weis, Constance hätte die Schwindsucht. Möglicherweise hat er ihretwegen gelogen.«
            »Oder seinetwegen, was wahrscheinlicher ist«, erwiderte Raymond erbittert. »Sein mangelndes Interesse an seiner Frau oder sonst jemandem ist eine Schande. Als ich ihm erzählt habe, Neville Caporn sei umgekommen, hat er nicht mal mit der Wimper gezuckt. Und außerdem glaube ich auch nicht, dass Constance verrückt ist. Sie hat nur einen Schock erlitten. Als diese Burschen sie verschleppt haben, muss sie den Schreck ihres Lebens bekommen haben.«
            »Bei wem wäre das nicht so? Mich schaudert beim bloßen Gedanken daran, was die Arme mitgemacht hat.«
            Nachdem Raymond den restlichen Abend über Constances Schicksal gegrübelt hatte, fällte er eine Entscheidung: »Ich werde Lady Horwood aufsuchen.«
            »Du kannst nicht einfach in so eine Anstalt hineinspazieren. Diese Einrichtung wird von der Regierung betrieben. Man wird dich nicht einlassen.«
            »O doch. Schließlich bin ich ihr Anwalt und möchte, dass sie mir einige Papiere unterzeichnet. Staatsbedienstete lieben Formulare, und ich kann mit einem ganzen Stapel davon aufwarten.«
            »Das ist empörend! Um nicht zu sagen ungehörig. Sir Lyle wird dir das nie verzeihen.« Lavinia raffte die Röcke und rauschte auf die große Veranda hinaus. »Jetzt ist es so viel kühler geworden. Ich liebe den Herbst hier«, meinte sie geistesabwesend und drehte sich dann zu ihrem Bruder um.
            »Ich mache mir ebenfalls Sorgen um das Mädchen, Raymond. Und ich hätte bestimmt bessere Chancen, zu ihr vorgelassen zu werden als du.«
            »Wie das?«
            »Schließlich bin ich die Vorsitzende der Frauenliga für Gesundheit und Wohlfahrt. Wie du weißt, sammeln wir für karitative Zwecke. Und nichts öffnet einem rascher die Türen als der süße Duft des Geldes. Ich schreibe der Oberschwester einen Brief und bitte um einen Termin, um die Anstalt zu besichtigen. Ich könnte ja ankündigen, dass wir eine jährliche Zuwendung an St. Clement’s erwägen.«
            »Ein ausgezeichneter Gedanke. Aber wenn du dich als Vorsitzende einer Wohltätigkeitsorganisation vorstellst, darfst du nur sagen, dass ihr über eine Zuwendung nachdenkt. Und du darfst nicht so tun, als würdest du im Namen der Organisation sprechen.«
            »Schon gut. Überlass das nur mir. Ich komme schon nicht ins Gefängnis.«
             
            Die Antwort fiel positiv aus: Miss Lewis wurde eingeladen, die Anstalt am Donnerstag während der Besuchszeiten zu besichtigen.
            »Gut, ich komme mit«, sagte Raymond. »Wir nehmen die Kutsche. Die Anstalt liegt ziemlich weit draußen vor der Stadt.«
            »Sie können eine Irrenanstalt ja wohl kaum an die Queen Street bauen!«
            »Vermutlich nicht«, murmelte Raymond. Er war froh, dass Lavinia die Initiative ergriff, denn sie konnte ihren Willen besser durchsetzen als er. Genau genommen hatte sie sogar jede Menge Übung darin, wie er sich bedrückt sagte.
            Und das war auch gut so.
            St. Clement’s entpuppte sich als eine von einem hohen Lattenzaun umgebene ehemalige Kaserne. Es war ein freudloser Ort, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, auf dem nackten Boden Rasen anzusäen oder ein paar Schatten spendende Bäume zu pflanzen. Die wenigen Besucher, die zu sehen waren, schlenderten, in Begleitung von Patienten im Pyjama, den ehemaligen Appellplatz entlang, als müssten auch sie etwas für ihre Gesundheit tun. Alle schienen so ins Gehen versunken, dass nach Raymonds Ansicht nur noch die Gebetsperlen fehlten.
            »Warum tragen die Patienten Pyjamas?«, fragte Lavinia, als sie, zwischen den lang gestreckten Holzbaracken hindurch, in Richtung Verwaltung schritten.
            »Weil sie krank sind. Warum auch nicht? Schließlich ist das hier ein Krankenhaus.«
            »Eher ein Militärlazarett! Außerdem sind Geisteskranke normalerweise nicht bettlägerig.«
            »Keine Ahnung«, erwiderte Raymond

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