Wind des Südens
Mal.
»Der Narr will in diesem Land bleiben«, antwortete Chang. »Er möchte mich nicht zur Küste und zurück nach China begleiten, sondern allein auf die Suche nach Gold gehen. Ich habe ihm erklärt, dass er Eigentum der Herren Li ist und tun muss, was ihm befohlen wird.«
»Ich dachte, er wäre Ihr Diener.«
»Er wurde mir von den Herren Li zugeteilt.«
»Sie stehen offenbar hoch im Kurs.«
»Muss wohl so sein«, entgegnete Chang grinsend.
»Sagen Sie ihm, dass wir morgen sehr früh nach Cairns aufbrechen.«
Jesse machte sich Sorgen um Mal. Der hoch gewachsene Chinese, der bei ihm war, hatte ganz und gar keinen guten Eindruck auf ihn gemacht. In den Augen des Mannes stand ein hochmütiges Funkeln, und er hatte auf ihn und auf Mal heruntergeblickt, als hielte er sie für minderwertig. Jesse fragte sich, ob wohl der Chinese hinter Mals Schwierigkeiten steckte. Und je länger er über die drei nachdachte, desto mehr wuchs seine Angst. Was hatte Mal nur so dringend mit ihm zu besprechen?
Als sie die Wasserfälle erreichten, hatte er bereits Gelegenheit gehabt, einige kurze Gespräche mit dem Gouverneur zu führen. Jesse freute sich schon auf weitere Unterhaltungen, als er erfuhr, die Reisegesellschaft habe beschlossen, weiter zu den Goldfeldern zu reiten.
»Ich dachte, es sei nur ein Ausflug mit einer Übernachtung«, meinte Jesse zu einem Adlatus. »Vom Hodgkinson war nicht die Rede.«
»Wir haben umdisponiert. Der Chef findet, dass wir eigentlich auch weiterreiten können, da wir nun schon so weit gekommen sind. Und weil ihn der Weg über die Berge nicht anzustrengen scheint, dürfen wir uns ebenfalls nichts anmerken lassen.«
Jesse hingegen konnte einem Ritt durchs Gebirge überhaupt nichts abgewinnen, insbesondere deshalb, weil es inzwischen eine einfachere Route zu den Goldfeldern gab. Außerdem hatte er das mulmige Gefühl, dass Mal Ärger drohte. Deshalb beschloss er am nächsten Morgen, nicht mit dem Gouverneur weiterzureisen, und bat einen Aborigine-Führer, ihn zurück ins Basislager zu begleiten.
Wie erwartet, waren Mal und die Chinesen bereits aufgebrochen. Also folgte er ihnen, ohne Zeit zu verlieren, denn er wusste, dass er Mal bestimmt in Cairns treffen würde, falls er ihn auf der Küstenstraße verpasste.
Wu Tin war bedrückt. Sein Pferd lahmte, und Chang war wütend auf ihn, weil er es angeblich nicht richtig versorgt hatte. Allerdings wusste Wu Tin nicht, wie er den Schaden hätte verhindern können.
»Lass es zurück«, befahl Chang. »Steig ab und geh zu Fuß. Den Sattel kannst du mir geben.«
Aber da griff Mr. Willoughby ein und brüllte Chang an – die beiden stritten sich bereits seit ihrer Begegnung am zweiten Goldfluss – und führte alle drei Pferde zu einem nahe gelegenen Bach, um sie zu tränken.
»Was hat er gesagt?«, erkundigte sich Wu Tin bei Chang.
»Dass du ein Misthaufen und eine Last für uns bist.«
»Das ist eine Lüge. Ich habe es seinem Gesicht angesehen. Ich glaube, er hat gesagt, auf Ihrem Pferd können auch zwei reiten. Sie lügen auch, was ihn angeht. Und zwar schon die ganze Zeit. Ihr Freund will uns zur Polizei auf der anderen Seite des Hügels bringen, damit wir aufgehängt werden, weil wir den Mann umgebracht haben.«
Chang blickte sich um. Willoughby war in den Bach hineingewatet, um sich abzukühlen. »Ich habe dir doch schon zehnmal erzählt, dass er so etwas nie tun würde. Er hat Tussup gehasst und ist froh, dass wir ihn erschossen haben.«
»Warum ist sein Gesicht dann immer so wütend, wenn der Name Tussup fällt? Und weshalb sprechen Sie davon, dass wir ihn erschossen haben? Sie waren es, nicht ich.«
Wu Tin steigerte sich immer mehr in seine Angst hinein. Unterwegs waren sie berittenen Polizisten in schwarzen Uniformen mit silbernen Knöpfen begegnet, und Willoughby hatte angehalten, um mit ihnen zu reden. Obwohl Chang ständig beteuerte, bei ihren Streitereien ginge es nur um Belanglosigkeiten, war Wu Tin sicher, dass er log. Er hatte die beiden Männer beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass Chang falsche Augen hatte. Willoughby war zwar ein Weißer, hatte aber einen ehrlichen
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