Wind des Südens
Blick. Außerdem malte sich eindeutig Trauer darin. Der Diener glaubte keine Minute an Changs Version. Nein, der weiße Mann befürchtete nicht, selbst angeklagt zu werden, wenn er die beiden anzeigte. Wie sollte er auch? Schließlich gehörte er zur Oberschicht, das hatten sie doch gerade selbst gesehen. Der große Herr und Gouverneur hatte nur wenige Schritte von ihnen entfernt gestanden!
Je mehr Wu Tin sich das Hirn zermarterte, desto größer wurde seine Besorgnis. In letzter Zeit strotzte Chang nur so vor Selbstbewusstsein. Er überschätzte sich und tat, als wäre er Willoughbys bester Freund, während dieser lediglich Zeit gewinnen wollte. Warum? Bald jedoch ging Wu Tin ein Licht auf: Warum sollte Willoughby ihn und Chang sofort festsetzen, was bedeutet hätte, dass er sie gewaltsam zur Küste würde schleppen müssen? Stattdessen ließ der schlaue Fuchs sie aus freien Stücken ins Verderben reiten.
Wu Tin schwitzte, als er Reisig sammelte, um Feuer für den Tee zu machen, den Chang ununterbrochen in sich hineinschüttete. Willoughby gab sich tagsüber mit Wasser zufrieden. Er sah, wie Chang Jacke und Hemd auszog, diese an einen Ast hängte und selbst den Pfad entlang zum Bach ging. Plötzlich flog ein großer schwarzer Vogel dicht an Wu Tins Gesicht vorbei und ließ sich unter grässlichem Gekreische dicht vor ihm nieder. Der entsetzte Wu Tin deutete das als böses Omen. Morgen würden sie am Hafen sein, nur noch ein Tag trennte sie vom Gefängnis. Wollte der schwarze Vogel ihm sagen, dass dies heute der letzte Tag seines Lebens in Freiheit war? Vor Angst zitternd und bebend, packte Wu Tin ein scharfes Messer und hielt Ausschau nach weiteren Unheil verkündenden Zeichen an diesem einsamen Ort. Und da erschien wie aus dem Nichts Willoughby, und zwar genau an derselben Stelle, wo gerade noch der schwarze Vogel gesessen hatte. Wu Tin griff an.
»Was zum Teufel soll das?«, brüllte Willoughby, als das Messer seinen Hals anritzte. Er holte mit dem Stiefel aus, so dass Wu Tin zurückgeschleudert wurde. Doch der Chinese war sehr gelenkig und stürmte sofort wieder los, um den Mann zu töten, der ihn an den Galgen bringen wollte.
Chang hörte Willoughbys Rufe und Wu Tins Geschrei. Also schlich er sich durch den Busch und kehrte, nachdem er einen kurzen Blick auf die beiden geworfen hatte, zum Bach zurück. Sollten sie sich doch gegenseitig den Garaus machen. Dann gab es wenigstens niemanden mehr, der seinen Mord an einem weißen Mann bezeugen konnte.
Als das Getöse verebbte, schlenderte Chang heran und an den Pferden vorbei, wo er Wu Tin auf dem Boden liegen sah.
»Er hat versucht, mich zu töten!« Willoughby hatte ein Taschentuch um den Hals gewickelt, um den Blutfluss am Hals zu stoppen; er konnte es immer noch nicht fassen.
»Ist er tot?«
»Nein, aber ich musste ihn mit einem Holzscheit abwehren. Er ist nur bewusstlos. Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
»Er hat den Verstand verloren.« Chang zuckte die Achseln. »Am besten erledigen Sie ihn, solange Sie noch können. Sonst greift er Sie vielleicht wieder an.«
»Warum?«
»Weil er glaubt, dass Sie ihn ins Gefängnis bringen wollen«, erwiderte Chang lässig. »Ich habe ihm erklärt, dass Sie so etwas nie tun würden, aber er glaubt mir nicht.«
»Und Sie haben seelenruhig zugeschaut, wie er mich überfallen hat.«
»Ich wusste, dass Sie gewinnen würden.«
Willoughby überschüttete Wu Tin mit Wasser, um ihn zu wecken, und fesselte ihn dann mit einem Strick.
»Was haben Sie mit ihm vor?«, fragte Chang.
»Vermutlich werde ich ihn den Behörden übergeben.«
»Wie? Sein Pferd lahmt.«
»So schlimm ist es nicht. Wenn wir langsam reiten und hin und wieder ausruhen, kann es ihn tragen.«
»Ich halte das für keine gute Idee. Ich würde vorschlagen, ihn gleich an Ort und Stelle zu beseitigen. Er wird reden. Über Tussup. Und das dürfen wir nicht zulassen.«
»Das heißt wohl, Sie dürfen das nicht zulassen.« Willoughby hatte sich beim Sprechen Chang zugewandt und sah den Revolver, den dieser beim Vorbeigehen an den Pferden geistesgegenwärtig aus seiner Packtasche genommen hatte.
»Es tut mir Leid«, sagte Chang bedrückt. Und er
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