Wind des Südens
dass ich hier bin und er für meine Freilassung sorgen soll.«
»Willoughby hat die Stadt verlassen.«
Chang war entsetzt. »Er ist fort? Wohin denn?«
»Keine Ahnung.« Das entsprach sogar der Wahrheit, dachte Jesse. Aus irgendeinem Grund wollte Mal, dass diese beiden Burschen eine Weile festsaßen.
»Wann kommt er zurück?«
Jesse schüttelte den Kopf. »Das kann ich leider auch nicht sagen. Schließlich ist er hier nicht zu Hause. Er ist einfach losgeritten. Vielleicht wollte er für eine Weile in seine Heimatstadt.«
Entgeistert sah Chang sich um. »Ich bin irrtümlich eingesperrt. Meine Papiere sind in Ordnung, ich habe sie nur verloren. Bestimmt hat Wu Tin sie gestohlen, um mir eins auszuwischen. Er ist derjenige ohne Papiere, doch ich wollte ihn nach Cooktown mitnehmen, damit sein Arbeitgeber sich für ihn verwenden kann. Sie müssen mir helfen, Mr. Field. Ich zahle …«
Geduldig hörte Jesse zu und versprach, zu tun, was in seiner Macht stand. Freilich wusste er, dass es Wochen dauern konnte, bis die Einwanderungsbehörde eine Antwort aus Cooktown erhielt. Dass Changs Papiere sich in seinem Besitz befanden, weckte sein schlechtes Gewissen, und um es zu beruhigen, bot er dem Chinesen seine Hilfe an.
»Danke, Sir. Könnten Sie bitte dieses Päckchen zusammen mit dem Geld für die Pferde für mich aufbewahren?«
»Es ist doch nicht etwa Gold darin? Gold muss nämlich angemeldet werden.«
»Nein. Nur mein Verdienst und ein paar Wertgegenstände. Hier sind die Sachen nicht sicher, verstehen Sie? Wäre es nicht möglich, dass Sie mit Ihrem Freund, dem Gouverneur, sprechen, Mr. Field? Sagen Sie ihm, dass ich ein rechtschaffener Mann bin. Ein Unschuldiger, der nicht hierher gehört.«
»Ich sehe, was sich tun lässt«, antwortete Jesse wieder. Er hatte nur zu gern gewusst, was Mal im Schilde führte, und verstand einfach nicht, warum sein Freund es so eilig gehabt hatte, umzukehren, insbesondere deshalb, weil Zeitmangel auf dem Weg hierher offenbar nicht das Problem gewesen war.
»Ach, das werde ich schon noch erfahren«, sagte er sich achselzuckend und machte sich auf den Weg, um über den Beginn der Bauarbeiten an dem neuen Einkaufszentrum zu berichten. Ted Pask, der Direktor von Apollo Properties, hatte den Bürgermeister zum ersten Spatenstich verpflichtet, und die Witwe Mrs. Caporn würde Ehrengast bei dem zu diesem Anlass ausgerichteten Mittagessen sein. Es hieß, man rechne auch mit dem Erscheinen von Sir Lyle und Lady Horwood, aber sie waren noch nicht eingetroffen, weshalb Pask und der Bürgermeister ausreichend Gelegenheit erhalten würden, sich in den Vordergrund zu drängen. Der Empfang, bei dem Hilda Kassel für die Bewirtung zuständig war, sollte in der Stadthalle stattfinden, die immer noch kein Dach hatte; doch zum Glück schien die Sonne wieder heiß vom Himmel. Jesse hatte zwar eine Abneigung gegen solche gesellschaftlichen Anlasse, freute sich aber auf Hildas Küche.
Und natürlich auch auf einige Anwesende, verbesserte er sich, als er Eleanor Plummer und Esme Caporn erkannte. Die beiden Frauen standen schüchtern in der Tür, während die anderen Gäste sich schon in den geschmückten Saal drängten.
»Meine Damen, Sie sehen hinreißend aus. Gönnen Sie mir das Vergnügen, Sie zu Tisch geleiten zu dürfen?«
»O Jesse, ein Glück, dass Sie hier sind«, flüsterte Esme. »Eleanor wollte nicht allein hineingehen, und ich habe keine Lust, am Ehrentisch zu sitzen und mich anstarren zu lassen.«
»Dann kommen Sie mit«, erwiderte Jesse. »Ich besorge Plätze für uns drei. Apropos: Sind Sie eigentlich immer noch Geschäftsführerin der Gesellschaft, Esme?«
»Aber, nein. Mr. Pask hat das übernommen. Ich bin sehr erleichtert, mich nicht mehr damit befassen zu müssen. Seit wann sind Sie zurück, Jesse?«
»Seit gestern.«
»Und ist Mal bei Ihnen?«
»Nein. Kaum waren wir hier, da ist er schon wieder umgekehrt und davongeritten.«
»Er ist fort?«, rief Eleanor aus. »Ohne uns zu besuchen?«
»Ich glaube, weit weg ist er nicht. Doch offen gestanden kann ich nicht sagen, was er zurzeit im Schilde führt.«
»Hat er Tussup aufgespürt?«,
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