Wind des Südens
wegzuschicken, was wirklich das Beste gewesen wäre. Nicht auszudenken, was die übrigen Passagiere dazu sagen würden. Insbesondere Mal und Esme. Und Constance.
»Gütiger Himmel!«, murmelte er und riss sich aus seinen Grübeleien. Constance! Sie würde sich ganz sicher nicht beklagen, denn sie wollte Tussup schließlich sehen. Und zwar dringend.
»Mr. Tussup, erzählen Sie mir von der Entführung der beiden Frauen. Von Anfang an. Ich muss jede Einzelheit wahrheitsgetreu kennen, einschließlich der Umstände, unter denen Mrs. Horwood Ihren Leuten entkommen ist … oder ihren Entführern, um es einmal so auszudrücken.«
Er griff nach Block und Bleistift, um sich Notizen zu machen, während Tussup berichtete. Seine lange und ausführliche Schilderung deckte sich bis auf ein paar Kleinigkeiten mit Constances Geschichte. Sie hatte erklärt, sie habe keine Ahnung gehabt, woher die derben Kleidungsstücke stammten. Doch Tussup füllte diese Wissenslücke, indem er schilderte, wie er die Sachen einer Frau in einem Lager abgekauft hatte. Constance behauptete, sie sei ihm in Cooktown entflohen, während Tussup erklärte, er habe sie einfach stehen lassen. Allerdings nur für wenige Minuten, denn bald habe er sich Vorwürfe gemacht, da es in der Stadt schließlich von Gesindel wimmelte. Doch als er umgekehrt sei, um sie zu holen, sei sie bereits verschwunden gewesen, und er habe sie nicht mehr finden können.
»Vermutlich waren Sie froh, sie los zu sein«, zischte Raymond.
Tussup nahm kein Blatt vor den Mund. »In gewisser Weise ja. Schließlich hatte ich schon mehr Ärger am Hals, als mir lieb war. Was ist aus ihr geworden? Da ich ihren Namen später einige Male in der Zeitung las, ging ich davon aus, dass alles in Ordnung ist.«
»Das soll sie Ihnen selbst erzählen«, erwiderte Raymond spitz.
»Mrs. Horwood?« Tussup verstand die Welt nicht mehr.
»Aber vergessen wir das für den Augenblick. Ich möchte, dass Sie ganz von vorn beginnen. Wie hat diese unerfreuliche Angelegenheit angefangen?«
Diesmal unterbrach Raymond den Bericht einige Male, da er sich ein vollständiges Bild machen wollte. Tussup musste ihm erläutern, warum Bartie Lee sein Partner auf den Goldfeldern geworden war, obwohl die beiden sich doch schon in Cooktown nicht grün gewesen waren.
»Partner?«, entgegnete Tussup heftig. »Erpresser würde es besser treffen. Seine Chinesen hatten sich aus dem Staub gemacht, und es sah ganz so aus, als hätten sich die Malaien ebenfalls verdrückt. Also hat er sich wie ein Blutegel an mich geheftet. Solange er dabei war, musste ich jede Minute auf der Hut sein, das können Sie mir glauben.«
Lavinia klopfte an der Tür. »Dein Besucher ist jetzt schon recht lange hier, Raymond. Möchtest du vielleicht Tee?«
»Ja, gern.« Raymond stand auf, entschuldigte sich, folgte Lavinia aus dem Raum und zog sie am Arm ins Esszimmer.
»Weißt du, wer das ist?«
»Nein.«
»Tussup«, zischte er.
»Wer ist Tussup?«
»Der Offizier von der China Belle , der Meuterer.« Er hielt inne, denn immerhin war er ja schon beinahe Tussups Verteidiger. »Ich meine, der Deserteur.«
»Was will er hier?«, flüsterte sie besorgt.
»Ich soll ihn juristisch vertreten. Er hat es satt, vor dem Gesetz auf der Flucht zu sein.«
»Ach, das hätte ich nie gedacht. Und dabei macht er einen so sympathischen Eindruck.«
Nachdem Raymond im Laufe des langen und ermüdenden Nachmittags so viele Informationen zusammengetragen hatte, wie er zu brauchen glaubte, lehnte er sich in seinem Ledersessel zurück und überlegte, welche Möglichkeiten ihm nun offen standen.
»Was soll ich tun?«, fragte Tussup.
»Ich möchte, dass Sie in Ihr Hotel zurückkehren. In welchem Hotel wohnen Sie übrigens?«
»Im Treasury.«
»Ah, das kenne ich. Ausgezeichnetes Essen. Ja, bleiben Sie dort. Morgen nehme ich Sie mit zu Mr. Salter, dem Polizeichef, damit wir die Angelegenheit klären.«
»Muss ich ins Gefängnis?«
»Das ist nicht auszuschließen, Mr. Tussup, aber ich werde mein Bestes tun.«
»Danke, Sir. Mehr kann
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