Wind des Südens
kann ich dir sagen. Stattdessen wurde Ingleby wegen Diebstahls eines Beibootes angeklagt.«
»Diebstahl? Man hat ihn wegen Diebstahls vor Gericht gestellt?«
»Ja, so wahr ich hier sitze. Er erhielt eine Geldstrafe, und da ihm die in Untersuchungshaft verbrachten Monate angerechnet wurden, kam er sofort auf freien Fuß. Ich hatte den Eindruck, dass der arme alte Horwood die Angelegenheit satt hatte. Er sagte mir, nach den durchgemachten Strapazen fühle er sich von einer Gerichtsverhandlung einfach überfordert.«
»Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte Raymond bedrückt.
»Aber natürlich liegt der Fall bei deinem Mandanten nicht ganz so einfach. Der Tod einer Frau und die Entführung einer zweiten. Außerdem die auf den Goldfeldern umgekommenen Mitglieder der Mannschaft. Man sollte jetzt endlich eine offzielle Untersuchung veranstalten, um dieses ganze Durcheinander aufzuklären. Du hast doch sicherlich nichts dagegen?«
»Nein, allerdings glaube ich nicht, dass Sir Lyle und Lady Horwood kooperieren werden.«
»Warum nicht?«
»Aus den Gründen, die du eben genannt hast. Sie haben beide genug von dieser Sache und wollen einfach nur vergessen. Der Oberstaatsanwalt wäre besser beraten, einige Ermittler auf den Fall anzusetzen und sich von ihnen einen vollständigen Bericht erstellen zu lassen. Dann könnten die Horwoods unter vier Augen mit ihnen sprechen, ohne öffentliches Aufsehen zu erregen. Außerdem würde er sich die Kosten sparen, die entstehen, wenn er sämtliche Beteiligte aus Cooktown herzitiert.«
Jasper nickte. »Vermutlich hast du Recht.«
Raymond beharrte nicht weiter auf seinem Standpunkt. Wie er wusste, stammte Tussup aus Goulburn in Neusüdwales und besaß dort sogar ein Stück Land. Falls er zu dem Schluss kommen sollte, dass er keine Lust hatte, an einem richterlichen Ermittlungsverfahren mitzuwirken, brauchte er nur die Grenze zwischen der Kolonie Queensland und seiner Heimatkolonie zu überqueren; dann würde es nahezu unmöglich sein, ihn zurückzuholen. Außerdem war ihm als Tussups Anwalt beim Gedanken an eine Gegenüberstellung seines Mandanten mit Willoughby gar nicht wohl, denn schließlich konnten Mals irrtümliche – wenn auch verständliche – Vorwürfe zu weiteren Verwicklungen führen. Nein, eine öffentliche Untersuchung musste unter allen Umständen verhindert werden. Tussup hatte in einem Gespräch mit einem Ermittler von der Staatsanwaltschaft bessere Karten.
»Außerdem«, meinte Lewis, »bezweifle ich, dass die Witwe Mrs. Caporn sehr erfreut sein würde, wenn sie vor Gericht erscheinen müsste, obwohl die Verbrecher, die sie angegriffen haben, längst tot sind. Was würde das bringen, Jasper? Genau genommen sind die wirklichen Schurken inzwischen allesamt bei ihrem Schöpfer.«
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte Tussup, als Lewis ihm die Lage schilderte.
»Einfach abwarten. Sie dürfen die Stadt nicht verlassen. Möglicherweise dauert es eine Weile, denn derartige Dinge können sich hinziehen. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie sich eine preiswertere Bleibe suchen.«
»Das ist nicht nötig. Außerdem gefällt es mir hier.«
»Offenbar hatten Sie Erfolg auf den Goldfeldern.«
»So könnte man es ausdrücken. Aber wäre ich nicht gejagt worden, hätte ich noch mehr verdienen können.«
»Ach, wirklich?«, zischte Raymond und widerstand der Versuchung, sein mit dicken Narben bedecktes Bein zu reiben. »Sie haben das Leben anderer Menschen ziemlich auf den Kopf gestellt. Was mich besorgt, ist, dass Sie anscheinend überhaupt keine Reue zeigen. Ihr Freund Bartie Lee hätte beinahe Mal Willoughby umgebracht.«
»Beinahe? Was ist geschehen?«
»Es hat einen Kampf gegeben. Mal Willoughby hat ihn getötet.«
»Ha!« Tussup war hoch erfreut. »Also ist dieser Schweinekerl tot? Dem weint niemand eine Träne nach. Überlegen Sie mal, Mr. Lewis. Willoughby, der Junge aus dem Busch, war auf dem Kriegspfad. Wenn er mich erwischt hätte anstatt Bartie Lee, würde ich mir jetzt die Radieschen von unten ansehen. Also sagen Sie nicht, dass ich nicht gejagt wurde. Es ging um mein Leben!«
Raymond gab es auf. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle, ohne
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