Wind des Südens
ich nicht verlangen. Ich möchte nur, dass alles endlich vorbei ist. Und Sie können mir glauben, dass niemandem die Sache mehr Leid tut als mir. Mein Plan ist in jeglicher Hinsicht schief gegangen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sich alles so entwickeln würde.«
Raymond hatte eine neue Idee. Am folgenden Tag sprach er bei seinem Freund Jasper Salter vor und lud ihn zum Mittagessen ins Hotel Queensland ein, wo ein neuer italienischer Küchenchef angeblich kulinarische Wunder vollbrachte.
»Feierst du deinen Ruhestand?«, fragte Jasper, als sie an einem ruhigen Tisch am Fenster saßen, das Ausblick auf den botanischen Garten bot.
»Ach nein. Ganz ins Privatleben habe ich mich noch nicht zurückgezogen. Ich habe einen Mandanten und brauche deinen Rat. Es handelt sich um den Ersten Offizier Tussup von der China Belle .«
»Das Schiff, auf dem du Passagier warst? War Tussup nicht der Rädelsführer der Meuterer?«
»Nein. Und es war auch keine Meuterei. Die Männer haben das Schiff nicht übernommen, sondern sind desertiert. Das ist doch etwas völlig anderes, findest du nicht?«
»Eine Verbrecherbande, ganz gleich, wie man es auch dreht und wendet. Es erstaunt mich, dass ausgerechnet du diesen Kerl verteidigst. Das ist doch nicht zu fassen, Raymond! Nach allem, was auf dem Schiff geschehen ist! Zwei Tote. Entführte und misshandelte Frauen. Verprügelte Passagiere. Ich habe jedes Wort darüber gelesen, weil du auf diesem Schiff warst. Meine Frau und ich haben uns solche Sorgen um dich gemacht.«
Nach einem ausgezeichneten Mittagessen begleitete Raymond den Polizeichef zu dessen Büro, wo die beiden das Thema weiter erörterten.
»Er will sich stellen, Raymond. Also hol ihn um Himmels willen erst mal her.«
»Es wäre hilfreich, wenn ich wüsste, wessen man ihn anklagen wird, denn viel kann man ihm wirklich nicht vorwerfen, Jasper. Genau genommen ist er nichts weiter als ein Deserteur. Hunderte und Aberhunderte von Männern haben in Melbourne ihre Schiffe verlassen, um auf die Goldfelder zu ziehen. Die Reeder suchten verzweifelt nach Seeleuten. Und ist je einer dieser Männer festgenommen und vor Gericht gestellt worden?«
»Vermutlich nicht. Lass mich darüber nachdenken.«
»Was Tussup zu schaffen macht, ist, dass man ihn überall für einen Mörder hält, obwohl er niemanden umgebracht hat. Außerdem hat er Lady Horwood vor dem Verbrecherpack gerettet, sobald sich eine Gelegenheit ergab.«
Jasper ließ sich in seinen Sessel sinken. »Ich glaube, ich habe zu viel gegessen. Das war wirklich eine ausgezeichnete Mahlzeit. Ich verstehe, was du mir sagen willst, und wenn sich Lady Horwood für Tussup verwendet, hat er ziemlich gute Karten.«
Raymond sparte sich die Mühe, ihm zu widersprechen und auf Constances angegriffene Gesundheit hinzuweisen. Wegen genau des Zwischenfalls vor Gericht erscheinen zu müssen, den sie und Lyle am liebsten totschweigen wollten, hätte ihr gerade noch gefehlt.
»Genau genommen«, überlegte Jasper laut, »hätte der Bursche guten Grund, auf üble Nachrede zu klagen, falls er irgendwo schriftlich als Mörder bezeichnet wird. Und Willoughby nennt ihn ja auf den von ihm verteilten Plakaten eindeutig so.«
»Setz ihm bloß keine Flausen in den Kopf«, stöhnte Raymond.
»Es wäre aber eine Möglichkeit.«
»Was ist eigentlich aus dem anderen Kerl geworden? Dem Zweiten Offizier Tom Ingleby? Er gehörte auch zu denen, die das Schiff verlassen haben, aber sein Boot kippte um. Er wurde in Cairns in Haft genommen und nach Brisbane überstellt. Gewiss hätte seine Aussage auch Einfluss auf die Bewertung von Tussups Fall.«
»Ach ja. Eine merkwürdige Sache, wenn ich mich recht entsinne. Er saß im Wachhaus in Untersuchungshaft …«
»Was wurde ihm eigentlich vorgeworfen? Ich erinnere mich nicht mehr. Damals ging alles ziemlich durcheinander.«
»Meuterei.« Jasper ginste. »Die Polizei in Cairns fand, dass das reichte. Doch sein Vater sitzt im Stadtrat von Brisbane und hat mit denselben Einwänden wie du eben ein großes Theater veranstaltet. Dann erschien Sir Lyle Horwood auf der Bildfläche und ließ das Verfahren gegen Ingleby einstellen. Eine Überraschung, das
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