Wind des Südens
selbst kümmerte sich nicht um sie …«
»Ja, ja …«, versuchte Jesse, der unbedingt mehr über Tussup erfahren wollte, ihr ins Wort zu fallen.
»Er gehört zu den Männern, die Krankheit nicht ertragen, wie die Leute sagen«, fuhr Eleanor fort. »Aber warum darf er das? Wenn Constance krank ist, muss man sich darum kümmern, dass er sie nicht einfach beseite schiebt wie damals die bedauernswerte Fanny.« In einer dramatischen Geste rang sie die Hände. »Ich werde Raymond schreiben und ihn warnen. Da ist es mir ganz egal, ob der Mann sich ›Sir‹ schimpft …«
»Sagten Sie nicht, Mr. Lewis habe Jake Tussup erwähnt?«, hakte Jesse nach.
»Dazu komme ich noch. Ich habe den Brief mitgebracht.« Als sie begann, in ihrer riesigen Handtasche zu kramen, berührte Esme sie am Arm.
»Es genügt, wenn Sie mir alles erzählen, Eleanor.«
»Ja, ja, schon gut.« Sie blickte auf. »Tussup ist in Brisbane, und zwar als Mandant von Raymond Lewis. Es überrascht mich sehr, wie unser Freund so tief sinken konnte, ein derart widerwärtiges Subjekt zu vertreten. Das werde ich ihm auch sagen, so wahr ich hier sitze.«
»Und werden Sie es Mal erzählen?«, wollte Esme von Jesse wissen.
»Ich muss.«
In diesem Moment klopfte der Chefredakteur an die Tür. »Guten Morgen, meine Damen«, sagte er. »Bitte verzeihen Sie die Störung, aber ich dachte, das würde Sie interessieren, Jesse. Sehen Sie sich die Titelseite des Brisbane Courier an. Eine Entschuldigung an Jake Tussup, weil sie ihn als Mörder bezeichnet haben. Ich wette, sie mussten ihn für diese Ente außerdem finanziell entschädigen. Also passen Sie in Zukunft auf, was Sie über Tussup schreiben. Hoffentlich haben Sie ihn nicht auch einen Mörder genannt.«
»Nein, ich habe nur geschrieben, er würde von der Polizei gesucht, ohne die genauen Gründe zu erwähnen.«
»Ausgezeichnet. Ein hübscher Tag für einen Ausflug, meine Damen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen …«
Jesse betrachtete die Zeitung. »Am besten schenke ich ihm gleich reinen Wein ein«, meinte er zu Esme.
»Mal fährt nach Brisbane«, teilte Esme ihrer Freundin mit, als diese aus ihrem Mittagsschläfchen erwachte. »Lulu war hier, um es uns zu sagen. Sie hat uns Eier mitgebracht.«
»Ich habe mir gedacht, dass er das tun würde. Und ich habe viel über Constance nachgedacht. Und über Raymond. Und meine Freundin Gertrude, die in Brisbane wohnt. Ich habe beschlossen, dass die Gelegenheit günstig ist, um unsere wunderschöne Hauptstadt zu besuchen. Wir müssen packen.«
»Wir?«
»Natürlich kommen Sie mit. Sie können besser mit Constance sprechen als ich.«
»Eleanor, das geht nicht. Mal würde glauben, dass ich ihn verfolge.«
»Er gehört nicht zu dieser Sorte von Leuten. Bestimmt freut er sich, dass wir diese Besuche erledigen. Außerdem haben wir uns eine kleine Reise verdient. Also hören Sie auf, überall Unheil zu wittern. Wie ist zurzeit wohl das Wetter in Brisbane? Jetzt können wir die Tropenkleider ablegen und unsere eleganten Sachen hervorholen.«
Mal glaubte die Küste von Queensland inzwischen wie seine Westentasche zu kennen. »Ich weiß nicht, wie oft ich hier schon entlanggefahren bin«, meinte er zu Esme, während der Dampfer über die Trinity Bay tuckerte.
»Ich wollte Ihnen noch sagen«, erwiderte sie, »dass Sie uns in keinster Weise verpflichtet sind. Dass wir an Bord sind, heißt nicht …«
»Mit wem soll ich mich sonst unterhalten, wenn nicht mit Ihnen und Eleanor? Ich habe keine Lust, mit Fremden zu plaudern. Eigentlich hatte ich gehofft, Sie würden mich beschützen.«
Sie lachte auf. »Sie beschützen? Ich habe gerade gehört, wie Sie mit den beiden Smiths ein Kartenspiel verabredet haben – noch ehe das Schiff den Hafen verlassen hatte.«
»Ich dachte, es würde Sie amüsieren …«
»Hasenpfeffer, wie ich annehme.«
»Genau.«
»Sie gewinnen wohl gern, Mal Willoughby.«
»Oh ja.« Seine Augen funkelten. »Mit ein wenig Hilfe von meinen Freunden.« Esme war eine ausgezeichnete Kartenspielerin und anscheinend gut
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