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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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mehr die Jüngste, und er war eine gute Partie. Doch Mrs. Plummer konnte noch so elegant sein und noch so kultiviert plaudern, sie war und blieb eine geschiedene Frau und deshalb indiskutabel. Aber soweit Lavinia wusste, trug Raymond sich ohnehin nicht mit Heiratsplänen. Warum auch – in seinem Alter?
            Lavinia rauschte in die Anstalt und wies die neue Oberschwester an, Lady Horwood und ihr Gepäck zur Rezeption zu bringen. Als die Oberschwester beteuerte, Lady Horwood habe es sich anders überlegt, tat sie das mit einer wegwerfenden Handbewegung ab und marschierte schnurstracks zum Krankenzimmer, wo sie feststellte, dass Constance wieder zu Bett gegangen war.
            »Gütiger Himmel, liebes Mädchen! Stehen Sie sofort auf. Sie können mich schließlich nicht umsonst hierher zitieren. Wir hatten eine Verabredung, also hören Sie auf mit dem Unsinn.«
            Während sie Constance beim Ankleiden half, redete sie ununterbrochen weiter. »Wir haben ein wunderschönes Zimmer für Sie vorbereitet. Privat. Niemand wird Sie stören. Und verstecken Sie nicht dauernd Ihr Gesicht. Sie haben einen Tick, es sind nur die Nerven, das legt sich wieder. Schätzen Sie sich lieber glücklich, dass Sie noch am Leben sind. Haben Sie denn gar kein Mitleid mit Mr. Willoughbys Frau? So ein hübsches junges Ding. Jetzt ist sie tot. Und Sie leben. Seien Sie also froh …«
            »Das hat Mal auch gesagt«, fiel Constance ihr ins Wort.
            »Aber offenbar haben Sie nicht auf ihn gehört.«
            »Doch.«
            »Gut für Sie. Und nun kommen Sie. Hier ist Ihr Hut. Die Schwester wird Ihr Gepäck holen. Ich habe gute Nachrichten für Sie, aber das erzähle ich Ihnen erst auf dem Heimweg.«
            »Hat man Jake Tussup gefunden?«
            »Ja, aber das ist es nicht.«
            Lavinia atmete erleichtert auf, als Raymond die Zügel schnalzen ließ und die Pferde die Auffahrt entlang und durch das Tor von St. Clement’s trotteten.
            »Also«, meinte sie zu Constance. »Sie werden mir nicht unterwegs davonlaufen, wie Sie es damals in Cairns gemacht haben, oder?«
            »Nein«, erwiderte Constance. »Ich möchte Ihnen aber nicht zur Last fallen, Miss Lewis.«
            »Sie fallen mir nicht zur Last. Ich freue mich sehr, dass Sie bei uns wohnen wollen. Wir werden großartig miteinander auskommen. Am besten unternehmen wir ein paar Spaziergänge durchs Viertel, damit Sie sich wieder an andere Menschen gewöhnen.«
            »Ich glaube, ich bin noch nicht bereit, unter Menschen zu gehen.«
            »Das behaupten Sie. Doch wenn Sie nicht bald mit dem Selbstmitleid aufhören, enden Sie wieder in der Anstalt. Mal Willoughby hatte Recht. Ihr armer Vater würde einen Herzanfall bekommen, wenn er seine Tochter in einer Irrenanstalt anträfe.«
            »Mein Vater?«
            »Ja, er ist unterwegs nach Sydney.«
            »Momentan befindet er sich auf hoher See«, fügte Raymond hinzu.
            Constance brach in Tränen aus. Sie schlang die Arme um Lavinia, die sich, verlegen wegen dieser Überrumpelung, befreite und Raymond anwies, ein wenig langsamer zu fahren, »bevor die junge Dame uns noch die Kutsche umwirft«.
            Allerdings schien sich Constances Zustand auch im gemütlichen Haus der Geschwister Lewis nicht zu bessern. Wenn sie sich aus dem Haus wagte, trug sie auch weiterhin einen Hut mit Schleier, und niemand konnte sie überreden, ihn abzulegen. Doch nach einer Weile »draußen in der Welt«, wie Lavinia es ausdrückte, überraschte sie alle mit einer Ankündigung.
            »Ich fahre nach Sydney, um meinen Vater abzuholen, wenn sein Schiff eintrifft. Das bin ich ihm einfach schuldig. Sicher erwartet er das von mir. Wie komme ich dorthin, Raymond? Ich würde am liebsten kein Schiff nehmen. Gibt es einen Zug?«
            »Nein. Es ist sehr weit, meine Liebe. Sie müssten die Hälfte der Strecke per Postkutsche zurücklegen und dann in Tamworth in den Zug steigen.«
            »Wie weit ist es insgesamt?«
            »Etwa fünfhundert Meilen, glaube ich. Viel zu weit also. Sie müssen mit dem Schiff fahren.«
            »Gut«, antwortete sie. »Wenn es denn gar nicht anders geht.«
            »Ich werde wie beim letzten Mal sämtliche Mahlzeiten in der Kabine einnehmen«, sagte sie sich. »Zumindest fühle ich

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