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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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wortlos.
            »Ich dachte, du könntest bei mir wohnen, wenn du möchtest. Da wirst du von niemandem belästigt. Die ganze Stadt ist in Aufruhr wegen dieser schrecklichen Vorfälle.«
            »Gut. Aber könntest du mir einen Gefallen tun, Jesse? Ich habe denen da drinnen gesagt, dass Jun Lien eingeäschert werden soll, wie es bei den Chinesen Sitte ist, damit ich sie nach Hause bringen kann. Ich habe sie am frühen Morgen hier zurückgelassen, und jetzt weiß ich nicht weiter. Ich stehe hier und warte …«
            »Klar. Ich seh nach, was los ist.«
            Er trat in das hässliche Gebäude, das auch als Leichenhalle diente, sprach mit dem Bestattungsunternehmer und kehrte zu Willoughby zurück, um ihm mitzuteilen, dass er die Asche am nächsten Morgen abholen könne.
            »Danke.« Es störte ihn nicht, dass er den ganzen Tag auf diese Information hatte warten müssen, er schien eher dankbar zu sein, weil ihm eine Entscheidung abgenommen worden war. »Dann mache ich mich jetzt besser auf den Weg. Ich muss noch meinen Kram vom Schiff holen.«
            »Ich komme mit, und dann gehen wir zu mir nach Hause. Es ist nicht weit.«
            »In Ordnung.« Mal seufzte. »Bist du immer noch Zeitungsmensch?«
            »Ja.«
            Unter anderen Bedingungen hätte Jesse gesagt: »Und du machst immer noch Schlagzeilen, wie?« Mal, damals unter dem Namen Sonny Willoughby bekannt, war es gewesen, dem er die beste Story seiner Karriere verdankte, und den Antrieb, seinen öden Job in einer Stadt im Outback aufzugeben und sich einen Namen zu machen. Inzwischen konnte Jesse Field sich aussuchen, wo er arbeiten wollte, und aus reinem Trotz – er schmunzelte bei dem Gedanken – hatte er sich offenbar wieder für das Ende der Welt entschieden. Doch jetzt war Sonny Willoughby da, schritt an seiner Seite den Sandweg entlang und garantierte ihm eine neuerliche Schlagzeile. »Manche Menschen«, so sagte er zu sich selbst, »ziehen offenbar die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, auch wenn sie noch so harmlos, womöglich sogar uninteressant erschienen. Und Sonny gehörte zu diesen Menschen.«
            Willoughby hatte sich nicht allzu interessiert auf den Goldfeldern von Gympie herumgetrieben, ein paar Pfund ergattert und zum Aufbruch gerüstet, um dann auf dem Weg nach Maryborough in einen Goldraub und den Mord an den Wachen verwickelt zu werden. Die ganze Sache war vom Goldbeauftragten der Regierung selbst inszeniert worden, der dafür sorgte, dass Sonny Willoughby die Schuld in die Schuhe geschoben wurde.
            Doch nach seiner Verhaftung floh Sonny bei der erstbesten Gelegenheit und war drei Monate lang auf der Flucht, bis ein Onkel ihn um der Belohnung willen verriet. Der alte Knabe wusste, dass Sonny unschuldig war, doch der Gedanke an den Judaslohn ließ ihn in vollem Galopp zur nächsten Polizeiwache reiten und die Hand aufhalten.
            Etwa zu dieser Zeit begann Jesse Field, sich für die Geschichte zu interessieren. Über diesen jungen Gesetzlosen, der sich Hunderte von Meilen durch den Busch schlagen, von einem Bezirk zum anderen ziehen und der Polizei immer wieder entwischen konnte, war so viel berichtet worden, dass die Öffentlichkeit ihm inzwischen zujubelte. Als sein Foto in den Zeitungen und auf Steckbriefen zu sehen war, eilten Frauen ihm zur Hilfe. In Briefen boten sie ihm Unterschlupf, Unterstützung, Geld, sogar Liebe – all das hat den Gesuchten jedoch nie erreicht, doch Jesse fielen einige von diesen Briefen in die Hände, und er war erstaunt.
            Als er erfuhr, dass Willoughby dank eines Hinweises von Sonnys Onkel, Silver Jeffries, in Jesses Heimatstadt Chinchilla geschnappt worden war, bat er den Mann unverzüglich um ein Interview. Irgendwann, nachdem zehn Shilling zur Aufstockung des Judaslohns über den Tisch geschoben worden waren, war der alte Mann bereit, mit Jesse über seinen Neffen zu reden. Jesse wunderte sich, mit welchem Stolz Silver über Willoughby sprach.
            »Sie scheinen ihn für unschuldig zu halten?«
            Silver nickte. »Ja, klar, er ist unschuldig. Er hat mir die ganze Geschichte erzählt. Sonny würde mich nie anlügen.«
            Jesse ereiferte sich: »Und trotzdem haben Sie ihn verraten, Sie Schwein!«
            »So war das doch gar nicht«, jammerte Silver. »Ich dachte, wenn er der Polizei seine Version der Geschichte

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