Wind des Südens
Lernschwester, und die Arbeit erwies sich als grauenhaft. Lieber wäre sie Waschfrau gewesen oder Kuhmagd oder Straßenfegerin, statt diese schmutzige Arbeit zu verrichten. Sie hatte offenbar keine andere Aufgabe, als Erbrochenes und Fäkalien aufzuwischen und stinkendes Bettzeug zu wechseln, und trotzdem wurde sie nicht nett behandelt. Die Schwestern kommandierten sie herum, als wäre sie ihr Dienstmädchen, und was diesen Dr. Madison betraf, nun, er führte sich auf wie ein König und hätte sie nicht einmal angespuckt.
Aber er täuschte sich in dieser Frau. Für ihn war diese Miss Horwood weiter nichts als eine von diesen ins Elend geratenen Nutten, und davon gab es in dieser Armutsfalle mehr als genug. Solche wie sie brauchte er nicht anzuhören, auch nicht, wenn sie noch so gepflegt sprachen. Er brauchte nur ein paar Worte zu hören, um sich sicher zu sein, dass sie verrückt war. Lottie hatte gehört, wie er zur Oberschwester sagte, sein Krankenhaus sei keine Irrenanstalt, sie solle Miss Horwood am Morgen entlassen, ihre Leute könnten sich selbst um sie kümmern.
Außerdem hatte er Lottie, wie sie sich erinnerte, verraten und sie in Schwierigkeiten gebracht, weil sie ihm widersprochen hatte.
»Doktor Madison stellt hier die Diagnosen«, hatte die Oberschwester sie angeschnauzt. »Wag es nicht noch einmal, ihm zu widersprechen, sonst wirst du auf der Stelle entlassen. Ein Wunder, dass er dich nicht eigenhändig rausgeschmissen hat.«
Na gut, dachte Lottie. Vielleicht komme ich ihm da zuvor.
Doch in dieser Nacht wachte sie erschrocken auf. »O Gott!«, jammerte sie. »Miss Horwood!«
Ihr Bruder auf der anderen Pritsche bewegte sich und brummte: »Was ist los?«
»Nichts«, antwortete sie hastig. »Schlaf weiter.«
Dann lag sie da, lauschte auf das Rauschen des Sprühregens, der das Lager einhüllte, betete, es möge bald hell werden und Miss Horwood noch in ihrem Bett liegen. Hätte sie nicht zu viel Angst vor der Dunkelheit da draußen gehabt, wäre sie gleich jetzt den ganzen Weg zum Krankenhaus gelaufen. Bart, ihr Bruder Bart, holte sie nach der Nachtschicht immer ab. Seine Schwester sollte nicht schutzlos durch Cooktown laufen. Aber bald würden sie hier raus sein, sobald sie genug Geld gespart hatten, um weiterzuziehen, zu den Goldfeldern.
An Schlaf war nicht mehr zu denken, doch sie musste im Bett bleiben, ihre Ungeduld noch eine ganze Stunde lang bezwingen, bevor die ersten warmen goldenen Sonnenstrahlen auf das Zelt fielen und sie befreiten. Doch jetzt verrieten ihre flinken Bewegungen ihre Zielstrebigkeit. Obwohl sie erst um sechs zur Arbeit antreten musste, wollte sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Sie zog ihr langes schwarzes Kleid und schwarze Strümpfe an, griff nach ihrem Schultertuch und rannte zur Arbeit.
Am vergangenen Abend hatten Bart und seine Freunde über die bedeutenden Persönlichkeiten geredet, die in die Stadt gekommen waren und eine Bande asiatischer Mörder suchten. Die Kerle hatten ein Schiff geraubt und versenkt, den männlichen Passagieren die Kehle durchgeschnitten und sich mit deren Frauen aus dem Staub gemacht. Mit weißen Frauen. Hatten sie hierher nach Cooktown verschleppt!
Lottie war klar, dass sie in ihrer Faszination über diese gruselige Geschichte und die Not der von Sklavenhändlern gekidnappten Frauen nicht klar hatte denken können.
»Idiotin«, murmelte sie, während sie über eine Pferdekoppel lief und über einen kleinen Bach sprang, um das Gebäude zu erreichen, das dort für die Polizisten errichtet wurde. »Wenn sie sie nun schon gefunden haben? Wie dumm du doch bist. ›Gekidnappt‹ hatte diese Frau gesagt, klar und deutlich. Und Madison sagte, sie wäre verrückt. Na, wir werden ja sehen, wer hier verrückt ist.«
»Redest wohl mit dir selbst, Kleine?«, sprach ein Mann sie an und lachte, als er, sein Pferd am Zügel führend, an ihr vorbeiging. »Falls du Gesellschaft brauchst, ich stehe dir gern zur Verfügung.«
»Nein«, sagte sie böse, mit jeder Faser ihres Seins auf die Frau konzentriert, die von der Tür aus gesehen im vierten Bett lag. Himmel! Wenn sie nun fort war? Lottie verzog das Gesicht. »Ich schreie. Ich setze mich hin und schreie, wenn sie nicht da ist.«
Sie rannte zur Hintertür und stürmte in
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