Wind des Südens
Stil reiste, mit Dienern und mehr als fünfzig Kulis, und der erstaunlich gut informiert war über die Gegenden, die er bereiste. Ihm gehörte eine große, komfortable Dschunke, die im Mary River vor Anker lag, und als er beschloss, mit einem Vermögen, angelegt in Gold, nach China zurückzukehren, begleitete ihn Mal, der selbst auch nicht schlecht verdient hatte, und freute sich über die Aussicht, fremde Länder bereisen zu können.
Erst zu diesem Zeitpunkt wurde ihm klar, dass Mr. Xius Angst vor Feinden unter den Chinesen wohl begründet war.
»Auch wenn du es offenbar nicht bemerkt hast«, erklärte Xiu ihm, »gibt es hier im Norden Australien doppelt so viele Chinesen wie Europäer. Meine Familie gehört zu den Manchu, und wir haben die Ehre, von der kaiserlichen Familie begünstigt zu werden. Doch wir haben viele Feinde, geheime Gesellschaften mit gegen die Manchu gerichteten Zielen, und illegale Opiumhändler, die die Banden und Piraten finanzieren. Überall lauern Spione, und deshalb sind wir stets und ständig gut bewaffnet.«
Die gleiche Art von Wachsamkeit bestimmte das Leben im großen Haushalt der Familie Xiu, und zuerst hielt Mal sie für einen finsteren Haufen, besonders, wenn Geschichten kursierten, dass jemand erstochen wurde, oder wenn Aufstände Straßenschlachten nach sich zogen. Doch allmählich gewöhnte er sich an die chinesische Lebensweise und bereiste mit Mr. Xiu zuerst als Tourist, dann als bewaffneter Gefährte und schließlich als Pelzhändler die Provinzen. Xiu selbst bestand darauf, dass er dieses lukrative Geschäft erlernte, damit er seine Reisen auch als Erfolg verbuchen konnte.
»Wenn du dann heimkehrst, könntest du Pelze importieren und das Geschäft weiterführen. Dann wäre deine Zeit hier nicht vergeudet.«
Zurück an Deck, immer noch voller Unruhe, ging Mal weiter, um einen Blick ins Ruderhaus zu werfen, wo er glaubte, zwei Offiziere streiten zu hören. Unter normalen Umständen hätte er sich nicht eingemischt, doch an diesem Abend erschien ihm alles etwas merkwürdig. So trat er durch die offene Tür ein und fand die Männer über Karten gebeugt.
»Wie ich hörte, bleiben wir heute Nacht vor Anker liegen.«
Überrascht blickten sie zu ihm auf, dann grinste Tussup. »Ja, warum auch nicht? Ist ja nur für ein paar Nächte.«
Mal wies mit einer Kopfbewegung auf den Kartentisch. »Was gibt’s denn?«, spöttelte er. »Können Sie sich nicht entscheiden, wo wir uns befinden?«
Tom Ingleby wirkte eindeutig schuldbewusst, doch Tussup blieb gleichgültig. »Kleine Meinungsverschiedenheit, Mr. Willoughby.« Er grinste erneut. »Nach meiner Rechnung liegen wir östlich von Endeavour Bay, aber Tom meint, wir sind schon weit im Norden.«
»Was gibt’s in Endeavour Bay?«
»Jetzt nichts mehr. Captain Cooks Schiff Endeavour musste dort wegen notwendiger Reparaturen anlegen, und er hat der Bucht den Namen gegeben.«
»Ich glaube, das Land an dieser Küste ist überhaupt noch nicht erschlossen«, sagte Tom hastig. »Da gibt’s nur Urwald.«
»Mag sein«, antwortete Mal desinteressiert und kam sich ein bisschen dumm vor, als die Männer sich wieder der großen Karte zuwandten und mit ihren Instrumenten Messungen vornahmen, immer noch geteilter Meinung, jedoch nicht mehr so verbissen.
Er überließ sie ihrem Streit, schlenderte über das Deck und blickte hinaus auf den dunklen Küstenstreifen.
»Aber da irren sie sich«, sagte er zu sich selbst. Nichts war einfach nur Urwald. Seit Tagen hatte er die grün bewachsenen Berge dort drüben betrachtet, schon seit sie die kleine Siedlung Somerset an der äußersten Spitze des Kontinents verlassen hatten. Das bewaldete Land dort war mit Sicherheit eine Wunderwelt voller fremdartiger Pflanzen und Tiere. Und hinter diesen Bergen? Was war da draußen? Auf diese Weise hatte Mal sich gute Kenntnisse über Neusüdwales und das südöstliche Queensland angeeignet: Immer musste er herausfinden, was hinter dem nächsten Hügel lag. Und auf diesen Reisen, auf denen er Arbeit als Viehtreiber oder Farmhelfer annahm, war er auch in die Hügel von Gympie und den erstaunlichen Wahnsinn der Goldfelder geraten.
Ohne Zwischenfall umrundete er noch einmal das Deck, blieb an der Reling stehen, blickte auf die
Weitere Kostenlose Bücher