Wind des Südens
traf ihn unvorbereitet; er konnte kaum fassen, dass er ihr so viel bedeutete, und fürchtete, dass alles nur ein Traum war im Nebel der fremdartigen, farbenfrohen Umgebung.
Später, als die Etikette es zuließ, saßen sie oft im Mondgarten und lachten, während Jun vorgab, ihm klassische chinesische Gedichte vorzulesen, während sie in Wirklichkeit ihr idyllisches Leben in Australien planten. Mal liebte es, das Strahlen in ihren Augen zu sehen, wenn er ihr von der großen Schaffarm erzählte, die er zu kaufen gedachte, auf der sie die Herrin über alle, ihren Gatten eingeschlossen, sein sollte.
Mal lächelte, er liebte die Art, wie sie über diese Geschichten leise perlend lachte.
Typisch Mal, dachte seine Frau nervös. Er musste sich vergewissern, ob alles in Ordnung war, bevor er sich selbst Ruhe gönnte, doch er verstand offenbar nicht, dass sie sich unter diesen englischen Leuten noch befangen fühlte. Zumal keine weiteren Chinesen zu ihrer moralischen Unterstützung zugegen waren.
Gewöhnlich war Jun Lien, wie ihre Mutter auch, ausgesprochen selbstbewusst. Sie war sehr gebildet in kulturellen Dingen und sprach fließend Englisch. Xiu Tan Lans starker Wille hatte sie vor eingeschnürten Füßen und einer Verheiratung im Kindesalter bewahrt, und sie durfte, was ihren Vater zur Verzweiflung trieb, auf Familien- und Geschäftskonferenzen stets offen ihre Meinung äußern, doch hier, auf dem Schiff, in einem Raum mit lauter Engländern, war sie furchtbar schüchtern und blickte sehnsüchtig auf die Tür, die zum Deck führte. Um sich von ihrem Problem abzulenken, versuchte sie herauszufinden, woher diese Leuten kamen, eingedenk Mals Behauptung, dass nicht alle Engländer waren.
»Ich bin Australier«, erinnerte er sie. »Mr. Lewis ebenfalls – Mr. Raymond Lewis. Er ist Abgeordneter des Parlaments von Queensland. Die übrigen sind Engländer, glaube ich.«
Mrs. Plummer war zu ihr getreten, um sich mit ihr zu unterhalten – um sie zu retten, wie Jun Lien es nach der Vorstellung empfand.
»Sie sprechen so weich«, sagte die ältere Dame. »Es ist eine Freude, Ihrer Stimme zu lauschen. Lassen Sie sich von diesen lärmenden englischen Stimmen nicht einschüchtern.«
»Bitte verzeihen Sie meine Neugier, Mrs. Plummer, aber ich übe mich darin, verschiedene Akzente zu unterscheiden. Sie sprechen zwar englisch, aber es klingt anders als bei den anderen.«
»Das liegt daran, dass Englisch nicht meine Muttersprache ist. Ich bin in Deutschland geboren.«
»Oh! Ich verstehe. Ich glaube, Deutschland ist wunderschön.«
»Ja, es ist schön. Aber sagen Sie, was ist Ihr Reiseziel? Es ist ungewöhnlich, eine junge Chinesin so fern ihrer Heimat auf Reisen zu sehen …«
Als Willoughby gegangen war, wurde Tom nervös. »Glaubst du, er hat was gehört?«
»Was soll er denn gehört haben? Dass wir unterschiedlicher Meinung über unsere derzeitige Position sind? Aber ich glaube, du hast Recht. Wir müssen weiter, ich schätze, wir könnten es lange vor Tagesanbruch schaffen.«
»Ich glaube immer noch, dass Willoughby uns auf die Schliche gekommen ist. Er spioniert doch ständig herum.«
»Nein, ist er nicht. Das ist nur dein schlechtes Gewissen … ganz eindeutig. Willoughby ist ein Buschläufer, falls du weißt, was das bedeutet. Er ist es gewohnt, im Busch umherzustreifen, er kennt seine Umgebung wie seine Westentasche, und weißt du auch, warum?«
»Nein.«
»Weil es im Busch nichts anderes zu tun gibt!« Tussup lachte dröhnend. »Das stört ihn hier. Er hat nichts zu tun, und deshalb rennt er herum wie ein Tiger im Käfig.«
»Wenn er dabei wenigstens auf dem Kajütsdeck bleiben würde. Er macht mich nervös. Hast du mit dem Bootsmann gesprochen?«
»Ja. Ist aber zwecklos. Er ist gegen uns.«
»Was?«, fuhr Tom hoch. »Du hast gesagt, er würde mit beiden Händen zugreifen, weil er doch ständig über den erbärmlichen Lohn mault, den die Oriental zahlt.«
»Nun, dann hab ich mich eben geirrt.«
»Himmel! Und jetzt? Wie kannst du so ruhig dastehen …«
»Ach, reg dich nicht auf. Ich habe ihn in einer freien Kabine
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