Wind des Südens
hinten lang, damit sie es flechten oder zu den verschiedensten Frisuren aufstecken können.«
Mrs. Caporn zuckte mit den Schultern. »Auch hinten fehlen ganze Partien.«
»Das fällt gar nicht auf, wenn Sie es hochstecken. Und dann müssten Sie nicht ständig einen Hut tragen.«
»Ja, so wird es wohl am besten sein.« Sie sah sich im Zimmer um. »Diese Suite ist für eine Kleinstadt wirklich repräsentativ, wie?«
»Ich selbst war auch überrascht. Und es hat mich bestärkt in meinem Entschluss, eine Weile hier zu bleiben. Wie ich bereits zu Mr. Lewis sagte, kaufe oder baue ich mir hier vielleicht sogar ein Haus.«
»Lieber Himmel! Genau das habe ich mir auch überlegt.«
»Und was wird aus der Plantage?«
Mrs. Caporn beugte sich zum Spiegel vor, während Eleanor ihr das Haar aufsteckte. »Oh, schön! Nun kann ich mich ja wieder sehen lassen.«
»Sie sehen richtig hübsch aus! Hier, nehmen Sie etwas von dieser Creme für Ihr Gesicht. Sie enthält ein bisschen Farbe … mein Geheimnis … außerdem überdeckt sie Unreinheiten.«
Mrs. Caporn rieb sich ein wenig von Eleanors Creme in die Wangen und war hingerissen. »Darunter verschwinden die blauen Flecke ja vollständig! Das ist schon erstaunlich. Wo kann ich so etwas kaufen?«
»Ach, nehmen Sie das Töpfchen einfach mit, Mrs. Caporn. Ich stelle diese Creme selbst her.«
»Vielen Dank! Sie sind so freundlich, und ich möchte Sie bitten, mich Esme zu nennen. Wir haben schließlich zusammen dieses schreckliche Erlebnis überstanden.«
»Sie haben mehr ertragen müssen als ich, Esme. Sagen Sie Eleanor zu mir, wenn Sie möchten.«
Auf dem Weg aus dem Hotelzimmer fiel Esme ihre Frage wieder ein. »Ach ja … Ich hatte von einem Haus in der Stadt gesprochen. Für mich ist es unabdingbar, wie ich meinem Mann bereits erklärt habe. Das Leben auf einer Plantage mag ja ganz angenehm sein, aber dort ist man immer von so vielen Arbeitern umgeben. Ich brauche ein hübsches, ruhiges Haus in zivilisierter Umgebung.« Sie lachte, es war ein ansteckendes Lachen, das auf Eleanor übersprang. »Das heißt: Ich will ab und zu einkaufen und ins Theater«, fügte sie hinzu und gewann damit Eleanors Sympathie.
»Natürlich«, kicherte die. »Aber natürlich.«
Wenige Tage später erfuhr Eleanor zu ihrer Bestürzung, dass Mr. Lewis zu der Goldstadt aufgebrochen war, um Mrs. Horwood zu suchen, und das bedeutete, dass sie mit Lyle allein am Tisch saß. So unangenehm es zunächst auch war, es konnte sich doch keiner entziehen, und so blieben sie, wenn auch widerwillig, zusammen.
Sie sprachen nie über Fannie, doch an Constance dachte sie oft – und an den Schmuck, der nun für immer verloren war. Was für ein merkwürdiges Schicksal, überlegte sie, als sie Lyle gegenübersaß. Schließlich konnte sie doch nicht widerstehen zu fragen, was die Polizei zu dem Raub sagte. Doch sogleich bereute sie ihren Vorstoß. Es war, als hätte sie trotz Warnung einen frisch gestrichenen Zaun berührt: Wer der Versuchung nachgibt, muss leiden. Lyle war wütend über den Raub des Schmucks, geiferte und tobte so lange, dass Eleanor sich die Bemerkung nicht verkneifen konnte, auch sie und Mrs. Caporn hätten ja einige wertvolle Stücke verloren.
»Nichts im Vergleich zu unserem Schmuck!«, schnauzte er. »Constances Schmuckkasten war voll bis obenhin. Ich habe Schmuck im Wert von einer halben Million Pfund verloren, mindestens, und ich habe den Kapitän wissen lassen, dass ich auf einer Entschädigung bestehe.«
»Vielleicht wäre der Schmuckkasten in seinem Safe besser aufgehoben gewesen.«
»Reden Sie keinen Unsinn. Tussup besaß den Schlüssel zur Waffenkammer und zum Safe, also hätte das auch nichts genützt.«
Eleanor hörte sich seine Tiraden geduldig an, konzentrierte sich jedoch in erster Linie auf ihr weich gekochtes Ei. Sie hatte nur die Ringe verloren, die sie an den Fingern trug. Statt ihren Schmuck an Bord vorzuführen, was ihr angesichts der kleinen Gesellschaft als geschmacklos erschien, hatte sie die besten Stücke in den Saum ihres Unterrocks eingenäht. Der Rest steckte in einem Schuh und entging so den Blicken der Diebe. Sie überlegte, dass es taktlos sein
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