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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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rede mit niemandem, wenn ich meinen Hut nicht aufsetzen darf. Vielleicht kennt der Reporter einen Damenfriseur, der mir das Haar vernünftig schneiden kann. Ich kann es auch gleich kurz tragen, statt mit fehlenden Partien herumzulaufen. Diese Schweine!«
             
            Esme war stolz auf ihren Schneid. Sie hatte das malaiische Schwein sogar beschimpft, als sie zum ersten Mal geschlagen wurde. Danach war nur noch Grauen und Demütigung. Und Angst. Sie hatte gehört, wie sie sagten, sie würden sie über Bord werfen! Und sie hatte gewusst, dass sie nicht zögern würden, wenn es ihnen passte. Stattdessen hatten sie sie geschlagen, ihr Kleid zerrissen, ihr Haar abgeschnitten! Sie spürte, wie der Schweiß ihr übers Gesicht lief, während sie mit dem Reporter sprach. Ihre Kleider wurden feucht, und das war peinlich. Sie schaute sich nach einer Möglichkeit um, aus diesem überfüllten Salon zu entkommen, doch alle Türen waren verschlossen.
            »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Ich kann diese Unterhaltung nicht weiterführen. Ich bin ein wenig müde.«
            Müde?, fragte sie sich selbst. Von Grauen geschüttelt, falls Sie es wissen wollen. Ich bin immer noch starr vor Angst. Ich muss darüber hinwegkommen. Wenn ich nachts nur schlafen könnte, ginge es mir besser.
            »Nur noch eine Frage, Mrs. Caporn. Wie haben Sie sich gefühlt, als diese Männer Hand an Sie legten?«
            Neville griff verärgert ein. »Sie haben nicht Hand an sie gelegt, wie Sie andeuten; sie haben sie schlicht und einfach geschlagen.«
            »Aber Sie sagten doch selbst, ihr Kleid war zerrissen. Vielleicht hatten sie anderes geplant. Eine weiße Frau … verstehen Sie … unsere Leser ins Brisbane …«
            »Ihre Leser, besonders die weiblichen, wüssten sicher auch gern, was mit dem Haar meiner Frau geschehen ist. Sie hat wunderschönes Haar in einem herrlichen rotbraunen Farbton, und sie versteckt es unter diesem Hut. Es war lang, prachtvoll! Sie haben es abgeschnitten. Keineswegs ordentlich. Oh nein. Mit Messern haben sie es abgehackt. Können Sie sich das Entsetzen einer hilflosen Frau vorstellen – auf einem Schiff zu Boden gestoßen und den Misshandlungen einer asiatischen Mörderbande ausgesetzt? In all den Jahren auf unseren Plantagen, umgeben von Eingeborenen, ist uns nie etwas Derartiges zugestoßen, nicht, bevor wir an Bord dieses teuren und exklusiven Schiffes gegangen sind.«
            Mittlerweile war Esme verzweifelt. Auch die Fenster waren fest verschlossen. Anderen Leuten gelang die Flucht, doch sie konnte nicht sehen, auf welche Weise. Und es wurde dunkel, der Albtraum drohte. Sie klammerte sich an Nevilles Arm und blickte zu ihm auf, aber da war er gar nicht Neville, sondern ihr Bruder Arthur, der sagte, sie solle sich zusammenreißen, und so riss sie sich zusammen. Sie hielt den Schrei tief in ihrem Inneren zurück, der Schrei, der in ihr geblieben war, als sie sich längst wieder in Sicherheit befand – als alle fort waren. Doch der Schrei war etwas Hässliches, Hinterhältiges; etwas Grauenhaftes, das sie zurückgelassen hatten, um sie zu quälen.
            »Ich muss jetzt wirklich gehen«, sagte sie und wischte sich mit Nevilles Taschentuch das Gesicht trocken. »Es ist so heiß hier.«
            »Gut, Liebste«, sagte Neville. »Geh nur. Ich beende das Interview mit diesem Herrn.«
            Esme wollte, dass er ihr half, sie wenigstens zu einem Ausgang geleitete, aber inzwischen war er ordentlich in Fahrt gekommen und berichtete über seine grausigen Erlebnisse während der Meuterei. Das ärgerte sie.
            »Seine Erlebnisse!«, flüsterte sie Arthur zu, als sie eine verschlossene Tür gefunden hatte und dagegenhämmerte. Kaum hatte ein Steward sie geöffnet, stürmte Esme hinaus an Deck.
            »Das wurde aber auch Zeit!«, fuhr sie den Steward über die Schulter hinweg an.
            »Seine Erlebnisse«, wiederholte sie leise. »Die Kugel hat ihn nur gestreift. Er ist mit Kopfschmerzen davongekommen. Mir tun noch alle Knochen weh, weil sie mich geschlagen haben, als ich allein mit ihnen an Deck war und so entsetzliche Angst hatte.«
            Sie blieb stehen, hielt sich an der Reling des Rettungsbootes fest und blickte hinunter auf den belebten Hafen. Dann wandte sie sich wieder Arthur zu.
            »Sobald ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, geht es

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