Wind des Südens
mir besser. Geh und sag Neville, dass ich auf der Stelle an Land will. Wenn die Plantagenbesitzer, die uns aufnehmen wollen, nicht da sind, gehen wir in ein Hotel. Aber ich kann keine Sekunde länger auf einem Schiff bleiben.«
Der Fremde, der neben ihr stand, sah sie mit offenem Mund an. Dann wich er zurück und tauchte in der Menge unter.
7. Kapitel
Mit diesem ihrem ersten Vorgeschmack auf den südlichen Kontinent war Eleanor Plummer durchaus nicht unzufrieden. Cairns war eine hübsche kleine Stadt an der Küste von Trinity Bay, wo rundkuppige Berge dem Hafen Schutz boten und glitzernde smaragdgrüne Buchten schufen. Sie spazierte gern längs der von Palmen gesäumten Küstenlinie, bewunderte die Bucht und genoss die merkwürdige Abwesenheit von Menschen, besonders zur Mittagszeit, wenn die verschlafene Stadt wie ausgestorben war.
Wenngleich die Clarissa für die gestrandeten Passagiere ein Gottesgeschenk war, empfanden es doch alle als große Erleichterung, gesund und munter wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Eleanor hatte erwogen, mit der Clarissa bis Brisbane weiterzureisen, sich aber anders entschieden, bevor sie in Cairns eintrafen. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden, nachdem sie an Bord gekommen waren, hatte der russische Kapitän ihr seine ewige Liebe geschworen, und sie hatte keine Lust, während der restlichen Reise seine Annäherungsversuche über sich ergehen zu lassen. Mrs. Plummer, eine der Ersten, die von Bord gingen, fand schon bald den Weg zum Hotel Alexandra, dem besten der Stadt, wie sie sich hatte sagen lassen.
Sie betrachtete das ungestrichene, zweistöckige Holzgebäude mit den ausgedehnten Veranden und nickte zustimmend. Es stand in keinem Verhältnis zu den soliden Hotels europäischen Typs, die sie gewohnt war, doch es sah sauber aus, und sie ging das Risiko ein.
Wie sich herausstellte, war das Hotel neu, makellos sauber und, das Beste daran, im Besitz eines deutschen Ehepaars. Frau Kassel persönlich geleitete ihren Gast voller Stolz zu ihrer einzigen Suite, an der Vorderseite des Gebäudes gelegen, deren Balkon mit einem herrlichen Blick auf die Bucht aufwartete. Die Räume waren kühl und gemütlich, und später am Tag saß Eleanor selbstzufrieden auf ihrem Balkon und sah, wie Lyle Horwood mit Mr. Lewis und zwei weiteren Herren sich dem Eingang näherten. Sollte Horwood sich etwa mit zweiter Wahl begnügen müssen?
Vielleicht sollte sie nicht so gehässig sein, denn bestimmt machte Lyle sich entsetzliche Sorgen um seine Frau, wie sie alle. Trotzdem würde sie ihre angenehme Umgebung nicht abtreten. Das an ihren Schlafraum anschließende Wohnzimmer war entzückend, ausgestattet mit Möbeln, Polstern und Teppichen aus guten Geschäften in Singapur.
»Hier bleibe ich ein Weilchen«, sagte sie zu sich selbst. »Wenigstens so lange, bis Nachricht von Mrs. Horwood kommt. Ich möchte ihr auf jede erdenkliche Weise beistehen.«
Eine Woche später schrieb sie an ihre Freunde in Brisbane, dass sie diese kleine tropische Stadt und ihr Klima recht ansprechend finde und hier vielleicht sogar ein Haus kaufen oder bauen werde, um stets eine Anlaufstelle zu haben, zu der sie im Zuge ihrer Erforschung weiterer australischer Städte jederzeit zurückkehren könne.
»Das kommt ziemlich plötzlich«, sagte Mr. Lewis, als sie ihm von ihren Absichten erzählte.
»Aber nein! In solchen Dingen bin ich immer schnell entschlossen.« Dann lachte sie. »Freilich sind die Entscheidungen nicht immer richtig. Aber was ist schon ein Haus? Es wird mir Spaß machen, es einzurichten, und wenn ich mich hier nicht mehr wohl fühle, verkaufe ich es. Ziehe in eine andere Stadt.«
Seine milde Antwort verblüffte sie. »Ich hoffe, Sie finden, was Sie suchen.«
Das klang in ihren Ohren nicht so, als redete er über ein Haus.
Frau Kassel, ein begeisterter Zugvogel, war darauf bedacht, sich anzupassen, es jedem in dieser neuen Gesellschaft recht zu machen, doch deren Essgewohnheiten waren ihr ein Rätsel. Bis jetzt hatte sie jeglicher Bemerkung darüber enthalten, doch als Frau Plummer die Frage stellte, konnte sie sich endlich einer verwandten Seele anvertrauen.
»Madam«, sagte sie zu der großen Dame, »ich bin froh, dass Sie danach fragen. Frühstück gibt es zur
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