Wind Die Chroniken von Hara 1
Pork krümmte sich und erstarrte, nur sein Gesicht verzerrte sich. In der nächsten Sekunde fiel er zu Boden und wand sich in Krämpfen.
»Alles in Ordnung?«, fragte mich Giss mit ruhiger Stimme.
Ich hustete verzweifelt und rieb meinen malträtierten Hals. Der Tölpel besaß erstaunliche Kraft. Ich konnte von Glück sagen, dass er mir nicht das Genick gebrochen hatte.
»He!«, schrie Giss. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
»Dank deines Eingreifens, ja«, presste ich heraus. »Hättest ruhig erwähnen können, dass du ein Dämonenbeschwörer bist.«
»Jetzt bist du ja im Bilde.«
»Wer wäre das nicht? Angesichts eines gedrehten Stabs mit Rubinen.«
»Kennst du den Kerl?«
»Ja. Das ist Pork. Er ist aus dem Dorf, in dem ich die letzten Jahre gelebt habe. Keine Ahnung, wie der hierherkommt.«
Da stöhnte der Tölpel, setzte sich auf, schüttelte den Kopf und stierte uns an. Seine Augen loderten nicht mehr in den weißen Flammen, sondern waren wieder blau.
»Dann wollen wir uns mal mit ihm unterhalten«, sagte ich.
Der Hirte schlug die Hände vors Gesicht, weil er befürchtete, verbläut zu werden. »Nein! Nicht! Das war ich nicht!«, heulte er. »Bitte! Ich bin ein guter Junge!«
»Ness!«, rief Giss mit leiser Stimme.
»Was?«
»Lass ihn. Es ist wirklich nicht seine Schuld.«
»Ich hab nichts gemacht!«, versicherte Pork und sah sich verschreckt um. »Das war alles die Herrin. Sie hat mich dazu gezwungen. Jawoll!«
»Woher willst du das wissen?«, fragte ich Giss.
»Das liegt auf der Hand. Dein Bekannter weist alle Merkmale auf, die darauf hindeuten, dass ihn jemand unter Kontrolle gehalten hat. Das ist sehr merkwürdig.«
»Willst du etwa behaupten, einer von deinen Freunden übe Druck auf ihn aus?«
»Erstens zähle ich Dämonen nicht zu meinen Freunden. Zweitens war es kein Dämon, der ihn in seine Gewalt gebracht hat. Mit einem Phänomen wie diesem hatte ich es noch nie zu tun.«
»Aber jetzt sieht er doch …« Ich wollte sagen: ganz normal aus, begriff aber, dass dies selbst jetzt kaum der geeignete Ausdruck war, den Dorftrottel zu beschreiben.
»Als habe man ihn freigegeben?«, beendete Giss deshalb den Satz. »Kein Wunder. Ich habe diese Herrin, von der er gesprochen hat, vorübergehend vertrieben. He! Stehen geblieben!«
Unser Gespräch hatte Pork die willkommene Gelegenheit geboten zu fliehen. Ich an seiner Stelle hätte es nicht anders gemacht. Aber natürlich eilten Giss und ich ihm sofort nach.
Der Kerl war allerdings so schnell, dass wir ihn prompt aus den Augen verloren.
»Das bringt nichts!«, sagte ich schließlich. »Er muss irgendwo einen Haken geschlagen haben! Den erwischen wir nicht mehr!«
Hätte ich ihm doch bloß das Beil in den Rücken geschickt! Aber nein, ich wollte ihn ja lebend in die Finger bekommen.
»Lass uns besser so schnell wie möglich von hier verschwinden«, meinte Giss, der seinen Stab noch immer in der Hand hielt.
»Warum plötzlich die Eile?«, fragte ich wütend, weil Pork uns entkommen war. »Noch vor einer Stunde war es unmöglich, dich davon zu überzeugen, dieses Dorf links liegen zu lassen.«
»Stimmt«, erwiderte er gedehnt. »Normalerweise hätte ich ja auch gar nichts dagegen, ein Weilchen hierzubleiben, aber unser gemeinsamer Freund, genauer gesagt, das Wesen, das ihn unter Kontrolle hat, verfügt über Magie. Über schwache, aber durch und durch reale Magie. Deshalb möchte ich trotz all meiner Erfahrung nicht mit dem Burschen zusammentreffen, wenn er wieder in der Gewalt dieses Wesens ist. Lass uns also bitte verschwinden.«
Sein beunruhigter Gesichtsausdruck ließ mich jeden Widerspruch vergessen.
Wir brauchten weniger als eine Stunde, um die Straße zu erreichen. Abends saßen wir in einer gemütlichen Schenke, und die Ereignisse des Tages wirkten wie ein Traum. Wenn … wenn da nicht die Fingerabdrücke des verhinderten Würgers an meinem Hals gewesen wären.
Die Geschichte mit Pork beschäftigte mich. Vor allem die Frage, wie er mich gefunden hatte und was er von mir wollte. Warum hatte er mich angegriffen? Nach wem hatte er sich erkundigt? Und dann diese Veränderung an ihm: Er trug bessere Kleidung als sonst, und sein Gesicht zeigte neue Züge. Zwischen dem alten und dem neuen Pork bestand ein klar erkennbarer Unterschied. Er erinnerte jetzt kaum noch an den Trottel, den ich fast täglich in Hundsgras gesehen hatte. Nein, er sah mehr oder weniger wie ein ganz normaler Bursche aus. Nur diese Augen mit dem weißen Licht
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