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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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barsten die Bäume. Aus dem Abgrund stiegen jetzt große Staubwolken auf, die wie Rauch in Streifen fortgeweht wurden.
    Die Mitteilung des Zöllners war kurz:
    Sei mir gegrüßt, findiger und tapferer Junge! Willkommen im North Forest Kinnock, einst als Tor zur Außerwelt bekannt. Ich habe Dir einen wilden Tyger dagelassen. Er ist SEHR hungrig! Aber wie Du bestimmt schon erraten hast, hängt der Schlüssel zum SCHUTZRAUM an seinem Hals. Und wie Du vielleicht auch längst erraten hast, öffnet dieser Schlüssel den Käfig. Benutze ihn, wenn Du Dich traust! Mit besten Empfehlungen an Deine Frau Mutter (deren neuer Ehemann sie schon BALD besuchen wird) verbleibe ich als Dein ergebener Diener
    RF/MB
    Den Menschen – falls es ein Mensch war –, der diese Mitteilung für Tim zurückgelassen hatte, überraschte nicht leicht etwas, aber das Lächeln auf dem Gesicht des Jungen, als er sich mit dem Schlüssel in der Hand aufrichtete und den Eimer mit einem Tritt wegbeförderte, hätte ihn vielleicht doch erstaunt. Der Blecheimer stieg hoch und wurde vom Wind, der inzwischen Sturmstärke erreicht hatte, fortgerissen. Er hatte seinen Zweck erfüllt und nichts Magisches mehr an sich.
    Tim sah den Tyger an. Der Tyger erwiderte seinen Blick. Er schien den zunehmenden Sturm gar nicht zu bemerken. Sein Schwanz peitschte langsam hin und her.
    »Er denkt, dass ich mich lieber wegblasen lasse oder erfriere, als mich deinen Krallen und Zähnen zu stellen. Vielleicht hat er das hier nicht gesehen.« Tim zog den Vierschüsser aus dem Gürtel. »Er hat für das Fischding im Sumpf gereicht, und ich bin mir sicher, dass er auch für dich reichen würde, Sai Tyger.«
    Tim staunte abermals darüber, wie richtig die Waffe sich anfühlte. Ihre Funktion war so einfach, so klar. Sie wollte nur schießen. Und wenn Tim sie in der Hand hielt, wollte er nur abdrücken.
    Aber.
    »Oh, er hat alles gesehen«, sagte Tim und grinste breiter. Was er kaum spürte, weil sein Gesicht gefühllos zu werden begann. »Yar, er hat es sehr wohl gesehen. Hat er gedacht, dass ich es bis hierher schaffen würde? Vielleicht nicht. Hat er geglaubt, ich würde dich dann erschießen, um zu überleben? Warum nicht. Er würde es tun. Aber wozu einen Jungen schicken? Wozu, wo er doch bestimmt schon tausend Männer gehenkt und Hunderten die Kehle durchgeschnitten und wer weiß wie viele arme Witwen wie meine Mama auf Wanderschaft geschickt hat? Kannst du mir das beantworten, Sai Tyger?«
    Der Tyger starrte ihn nur mit gesenktem Kopf an und ließ den Schwanz weiter hin und her peitschen.
    Tim schob den Vierschüsser mit einer Hand in den Gürtel zurück; mit der anderen steckte er den verzierten silbernen Schlüssel ins Türschloss des Käfigs. »Sai Tyger, ich biete dir einen Handel an. Wenn du mich den Schutzraum dort drüben mit dem Schlüssel von deinem Halsband aufsperren lässt, dann überleben wir beide. Wenn du mich dagegen zerreißt, sterben wir beide. Ist dir das klar? Gib mir ein Zeichen, wenn du mich verstanden hast.«
    Der Tyger gab ihm kein Zeichen. Er starrte ihn nur an.
    Tim hatte eigentlich keines erwartet, er brauchte vielleicht auch keines. Es würde Wasser geben, so Gott es wollte.
    »Ich liebe dich über alles, Mama«, sagte er und drehte dann den Schlüssel um. Die alten Zuhaltungen bewegten sich mit einem dumpfen Knacken. Tim packte die Tür und zog sie auf, wobei die Angeln leise kreischten. Dann trat er mit locker herabhängenden Armen zur Seite.
    Der Tyger blieb noch einen Augenblick stehen, so als wäre er misstrauisch. Dann tappte er aus dem Käfig heraus. Tim und er betrachteten einander unter dem dunkler werdenden violetten Himmel, während der Sturm heulte und die krachenden Explosionen näher kamen. Sie musterten sich wie Revolvermänner. Der Tyger setzte sich in Bewegung. Tim wich einen Schritt zurück, aber ihm war bewusst, dass er die Nerven verlieren und flüchten würde, wenn er noch einen machte. Also verharrte er an Ort und Stelle.
    »Komm nur. Hier steht Tim, der Sohn von Big Jack Ross.«
    Anstatt ihm die Kehle zu zerreißen, setzte der Tyger sich und hob den Kopf, damit Tim an das Halsband mit den Schlüsseln herankam.

Tim zögerte nicht. Später würde er sich vielleicht den Luxus leisten können, verwundert zu sein, aber nicht jetzt. Der Wind wurde mit jeder Sekunde stärker, und wenn er nicht rasch handelte, würde er mitgerissen, in die Bäume geweht und dort vermutlich aufgespießt werden. Der Tyger war schwerer, aber auch er

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