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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wasser-Tim sie ihr abnahm, ging ein ungläubiges freudiges Aufleuchten über Wasser-Nells Gesicht. Sie drückte ihn lachend an sich. Auch Wasser-Tim lachte.
    Dann verschleierte Nebel diese Vision wie schon die beiden vorigen. Der Stahlstab hatte zu vibrieren aufgehört. Wertlos wie Dreck, dachte Tim, und das war wohl wahr. Als der Nebel sich auflöste, zeigte das Wasser in dem Eimer ihm nichts Wunderbareres als den dunkler werdenden Abendhimmel. Er schwenkte den Zauberstab des Zöllners noch mehrmals über dem Eimer, ohne dass etwas passierte. Aber das war in Ordnung. Er wusste jetzt, was er zu tun hatte.
    Tim stand auf und blickte zum Haus hinüber, sah aber niemand. Dennoch, die Freiwilligen, die sich zum Wachdienst gemeldet hatten, würden bald kommen. Er würde sich beeilen müssen.
    In der Scheune fragte er Bitsy, ob sie wieder Lust auf einen nächtlichen Ausritt habe.

Die Witwe Smack war von ihren ungewohnten Anstrengungen hinsichtlich Nell Ross erschöpft, aber sie war auch alt und krank und von dem so gar nicht der Jahreszeit entsprechenden Wetter beunruhigter, als sie das wahrhaben wollte. Deshalb wachte sie sofort auf, obwohl Tim (der sich gewaltig hatte überwinden müssen, sie nach Sonnenuntergang zu stören) sich nicht getraut hatte, laut an ihre Tür zu klopfen.
    Sie nahm eine Lampe mit, und als sie in deren Licht sah, wer dort stand, sank ihr Mut. Hätte die degenerative Krankheit, an der sie litt, ihr nicht die Fähigkeit geraubt, aus dem verbliebenen Auge zu weinen, hätte sie beim Anblick dieses jungen Gesichts, so voller törichter Vorsätze und tödlicher Entschlossenheit, Tränen vergossen.
    »Du willst in den Wald zurück«, sagte sie.
    »Aye.« Tim sprach leise, aber mit fester Stimme.
    »Trotz allem, was ich dir gesagt habe.«
    »Aye.«
    »Er hat dich verzaubert. Und weshalb? Aus Gewinnsucht? Nay, der nicht. Er hat im Dunkel dieses vergessenen Landstrichs unserer Baronie ein helles Licht entdeckt und wird nicht eher ruhen, bis es ausgelöscht ist.«
    »Sai Smack, er hat mir gezeigt, wie …«
    »Bestimmt etwas, was mit deiner Mutter zusammenhängt. Er weiß, wo er den Hebel ansetzen muss, um Leute zu bewegen; aye, darauf versteht sich keiner besser. Er besitzt den Zauberschlüssel zu ihrem Herzen. Ich weiß, dass ich dich nicht mit ein paar Worten von deinem Vorhaben abbringen kann, denn auch ein Auge allein genügt, deinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten. Und ich weiß, dass ich dich nicht mit Gewalt aufhalten kann – und du weißt es auch. Weshalb wärst du sonst zu mir gekommen, um dir zu holen, was immer du brauchst?«
    Als sie das sagte, wirkte Tim sichtlich verlegen, aber so entschlossen wie zuvor, und das zeigte ihr, dass er für sie tatsächlich verloren war. Und noch schlimmer: Wahrscheinlich war er auch für sich selbst verloren.
    »Was willst du also?«
    »Ihr sollt nur meiner Mutter etwas ausrichten, wenn’s Euch beliebt. Sagt ihr, dass ich in den Wald gegangen bin und mit etwas zurückkommen werde, was sie wieder sehend machen wird.«
    Dazu sagte Sai Smack erst einmal nichts. Stattdessen betrachtete sie ihn nur durch ihren Schleier. Im Licht der erhobenen Lampe konnte Tim die zerstörte Geografie ihres Gesichts weit besser erkennen, als er das wollte. Schließlich sagte sie: »Warte hier. Verschwinde nicht, ohne Abschied zu nehmen, sonst müsste ich dich für einen Feigling halten. Sei auch nicht ungeduldig. Du weißt ja, wie langsam ich bin.«
    Obwohl Tim darauf brannte, endlich aufzubrechen, wartete er, wie sie es verlangte. Die Sekunden erschienen ihm wie Minuten, die Minuten wie Stunden, aber endlich kam sie doch zurück.
    »Also, ich hätte gewettet, dass du fort sein würdest«, sagte sie. Die Alte hätte Tim nicht mehr verwunden können, wenn sie ihm mit einer Reitpeitsche ins Gesicht geschlagen hätte. Sie gab ihm eine Lampe, die sie an die Tür mitgebracht hatte. »Um den Weg zu beleuchten, denn ich sehe, dass du keine hast.«
    Das stimmte. Bei seinem überstürzten Aufbruch hatte er vergessen, eine mitzunehmen.
    »Danke-sai.«
    In der anderen Hand hielt sie einen Baumwollbeutel. »Hier drin ist ein Laib Brot. Es ist nicht viel und zwei Tage alt, aber das ist alles, was ich dir an Proviant mitgeben kann.«
    Tim hatte plötzlich einen Kloß im Hals, der ihn am Sprechen hinderte, deshalb tippte er sich nur dreimal an die Kehle und streckte eine Hand nach dem Beutel aus. Sie hielt ihn jedoch noch einen Augenblick länger fest.
    »In dem Beutel ist noch etwas anderes,

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