Wind (German Edition)
dieses bittere und verzweifelte Lachen. »Obwohl das wahrscheinlich nichts gebracht hätte, so schwach, wie ich alte Frau bin.«
»Benachrichtigt Ihr morgen meine Mama? Diesmal folge ich dem Eisenholzpfad nämlich nicht nur ein kleines Stück, sondern ganz bis zum Ende.«
»Aye, und das wird ihr wahrscheinlich das Herz brechen.« Sie beugte sich vor, sodass der Schleiersaum nach vorn schwang. »Hast du daran auch mal gedacht? Ich sehe dir an, dass dem so ist. Wieso tust du es dann, wo du doch weißt, dass deine Nachricht ihre Seele bekümmern wird?«
Tim errötete vom Kinn bis zum Haaransatz, kam aber nicht ins Wanken. In diesem Augenblick hatte er sehr viel Ähnlichkeit mit seinem verstorbenen Vater. »Ich will ihr das Augenlicht retten. Er hat mir genug von seiner Zauberkunst dagelassen, um mir zu zeigen, wie sich das erreichen lässt.«
» Schwarze Magie! Um Lügen zu untermauern! Nichts als Lügen, Tim Ross!«
»Das sagt Ihr.« Jetzt reckte er das Kinn vor – und glich auch darin ganz Jack Ross. »Aber das mit dem Schlüssel war nicht gelogen – der hat funktioniert. Er hat nicht gelogen, was Kells angeht – der hat meine Mama wirk lich schlimm zugerichtet. Auch dass sie blind sein würde, war nicht gelogen – es ist passiert. Und was meinen Da’ betrifft … Ihr wisst schon.«
»Yar«, sagte sie und sprach jetzt mit einem harten Landakzent, den Tim noch nie von ihr gehört hatte. »Yar, und jede seiner Wahrheiten hat zwiefach gewirkt: dich verletzt und tiefer in seine Falle gelockt.«
Tim antwortete nicht gleich; er senkte nur den Kopf und betrachtete seine zerschrammten Kurzstiefel. Die Witwe hatte fast schon Hoffnung geschöpft, als er den Kopf hob und ihr in die Augen sah. »Ich werde Bitsy kurz vor Cosingtons und Marchlys Claim festbinden«, sagte er. »Ich will sie nicht auf dem Abzweig zurücklassen, auf dem ich meinen Da’ gefunden habe, weil dort ein Pooky in den Bäumen hängt. Bittet Ihr Sai Cosington, Bitsy heimzuholen, wenn Ihr meine Mama besucht?«
Eine jüngere Frau hätte vielleicht weiterdiskutiert, ihn vielleicht sogar angefleht, aber dafür hatte die Witwe nicht mehr die Kraft. »Sonst noch was?«
»Zwei Dinge.«
»Sprich.«
»Gebt Ihr meiner Mama einen Kuss von mir?«
»Aye, sogar sehr gern. Was noch?«
»Würdet Ihr mich bitte mit einem Segen auf die Reise schicken?«
Sie dachte darüber nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Was einen Segen betrifft, kann ich nicht mehr für dich tun, als dir den Vierschüsser meines Bruders mitzugeben.«
»Dann muss der genügen.« Er beugte ein Knie und führte die Faust zum Gruß an die Stirn; dann wandte er sich ab, polterte die Stufen hinunter und ging zu der Stelle, wo sein treues Mollie-Muli angebunden war.
Mit sehr leiser Stimme, aber eben noch verständlich, sagte die Witwe Smack: »In Gans Namen segne ich dich. Lass nun Ka seine Arbeit tun.«
Der Mond war bereits untergegangen, als Tim von Bitsy abstieg und sie am Rand des Eisenholzpfads an einem Busch festband. Bevor er aufgebrochen war, hatte er sich in der Scheune die Taschen mit Hafer gefüllt, den er ihr jetzt hinstreute, so wie es der Zöllner in der Nacht zuvor bei seinem Pferd getan hatte.
»Bleib schön da, dann holt Sai Cosington dich morgen früh ab«, sagte Tim. Im nächsten Augenblick stand ihm ein Bild vor Augen, wie der verquere Peter sie auffand: tot, mit einem großen Loch im Bauch, das von einem der Raubtiere im Wald stammte (vielleicht von genau dem, das er in der Nacht zuvor auf dem Ritt den Eisenholzpfad entlang hinter sich gespürt hatte). Aber was hätte er sonst tun können? Bitsy war ein liebes Tier, aber nicht so klug, allein heimzufinden, obwohl sie schon Hunderte Male auf diesem Pfad unterwegs gewesen war.
»Du kommst schon zurecht«, sagte Tim und tätschelte ihre weichen Nüstern … Aber stimmte das auch? Die Vorstellung, die Witwe könnte in allem recht haben und der erste Beweis dafür stehe nun bevor, ging ihm durch den Kopf. Tim schob sie energisch beiseite.
Er hat mir in allem anderen die Wahrheit gesagt, und er hat auch hier wahr gesprochen.
Bis er weitere drei Räder auf dem Eisenholzpfad zurückgelegt hatte, war er so weit, das zu glauben.
Man sollte bedenken, dass er erst elf war.
In dieser Nacht erspähte er kein Lagerfeuer. Statt orangerotem Feuerschein, der ihn willkommen geheißen hätte, entdeckte Tim nur ein kaltes grünes Licht, als er sich dem Ende des Eisenholzpfads näherte. Es flackerte, verschwand manchmal ganz,
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