Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
bringt. Könnten Sie das morgen machen?«
Sören war zum Glück sofort einverstanden. »Natürlich bringe ich Sie hin. Es gibt kaum etwas Beeindruckenderes als die Adler.« Seine Stimme drückte ehrliche Begeisterung aus.
Sie trank einen Schluck und dachte plötzlich an das Gefühl des Bedauerns, das sie noch am Morgen nach ihrem ersten Zusammentreffen überkommen hatte, als sie geglaubt hatte, ihn nie wiederzusehen. Und jetzt war sie sogar dabei, sich mit ihm zu verabreden. Wenn auch nur aus beruflichen Gründen.
Natürlich, was auch sonst? Etwas anderes kam für sie ohnehin nicht infrage. Keine Dates, keine Liebesgeschichten und schon gar keine emotionalen Verwicklungen.
Du lieber Himmel, in welche Richtung gingen ihre Gedanken denn da! »Gut«, sagte sie schnell und hoffte, dass nur sie selbst bemerkte, wie belegt ihre Stimme klang. »Wann fahren wir?«
»Morgen um elf«, schlug Sören vor. »Ich habe nur drei Stunden. Wenn Sie zur Schule kommen, fahren wir gleich von dort aus …«
»Das geht nicht!«, platzte plötzlich Clara hervor. Sie funkelte ihren Vater von ihrer Position im Türrahmen empört an und hatte ganz offensichtlich gelauscht. »Morgen ist doch meine Party!« Sie wandte sich abrupt um und zog sich ebenso schnell wieder zurück, wie sie aufgetaucht war.
»Die Party«, stieß Sören hervor. »Die hätte ich doch glatt vergessen. Dann eben übermorgen.«
»Das geht nicht. Übermorgen bin ich schon wieder in Stockholm«, sagte Lena. Drängend fügte sie hinzu: »Es muss morgen sein.«
Sören schüttelte den Kopf. »Claras Geburtstagspartys sind legendär in Söderholm. Alle ihre Freundinnen freuen sich darauf. Tut mir leid, das kann ich unmöglich verschieben.« In seinen Augen lag ehrliches Bedauern, aber Lena spürte, dass seine Entscheidung unumstößlich war.
Lena war frustriert und enttäuscht. Nicht nur, weil Carla vermutlich auf ihrem Lauschposten triumphierte. Es wäre schön gewesen …
Halt!, ermahnte sie sich selbst. Vielleicht war es sogar besser so, denn die Blicke, die Sören ihr zuwarf, ließen keinen Zweifel daran, dass er das ebenso bedauerlich fand wie sie.
»Dann fahre ich eben alleine«, sagte sie nach einem Moment und hoffte, dass er es sich doch noch anders überlegte. »Sie müssen mir nur genau erklären, wie ich dahin komme.«
»Sie werden es nicht finden«, prophezeite Sören ernst, ohne den Blick von ihr zu wenden.
Lena reckte herausfordernd das Kinn in die Höhe. »Ich habe einen guten Orientierungssinn«, behauptete sie.
Sörens Blick verriet deutlich seine Zweifel, trotzdem fertigte er ihr eine genaue Wegskizze zum Adlerhorst an.
Lena wäre gerne noch ein bisschen geblieben, trotzdem verabschiedete sie sich kurz darauf. Es lag vor allem an Clara, die sich zwar nicht mehr blicken ließ, sich aber durch Geräusche immer wieder bemerkbar machte. Das Verhalten des Mädchens ließ keinen Zweifel daran, dass Clara sie als Störfaktor betrachtete.
Lena brach am nächsten Morgen früh auf. Anfangs fand sie sich mithilfe von Sörens Skizze gut zurecht. Der Weg durch den Wald war recht breit. Er war zwar nicht geteert, aber trocken und festgefahren. Sie fand sogar die Abzweigung, die Sören ihr aufgezeichnet hatte. Jetzt wurde der Weg schmal und war mit Gras bewachsen, bevor er schließlich vor aufgeschichteten Birkenstämmen endete.
Lena stieg sie aus, schloss den Wagen ab und sah sich um. Sie spürte leichte Verzweiflung in sich aufsteigen. Um sie herum waren nur Bäume und dichtes Gestrüpp. Eine völlig neue Erfahrung für eine Stadtpflanze wie sie.
Mit einem tiefen Seufzer ging sie los. Sie hatte kurze Hosen angezogen, weil sie davon ausgegangen war, dass der Tag wieder warm werden würde. Jetzt wurde ihr klar, dass das ein Fehler gewesen war. Dorniges Gestrüpp zerkratzte ihr die Beine. Der Wald war ihr unheimlich, und schon jetzt half ihr auch die Skizze nicht mehr weiter. Sie sah nur Bäume und Büsche und weiter nichts, woran sie sich orientieren konnte. Schon bald hatte sie das Gefühl, im Kreis zu laufen. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie den Wagen wiederfinden würde. Lena mahnte sich zur Ruhe und stapfte tapfer weiter durch das Dickicht in der Richtung, die sie gefühlt für die richtige hielt. Zur Not würde sie sich am See orientieren und immer am Ufer entlang zurück nach Söderholm laufen.
Plötzlich lichtete sich vor ihr das Dickicht. Die Öffnung kam Lena vor wie ein Tor, und sie lief erleichtert darauf zu. Vor ihr breitete sich
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