Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
erinnern.«
»Aber Zeit hatten Sie auch nicht für mich«, entgegnete Lena schnippisch. Sie wandte sich um und hatte die Haustür erreicht, als Sören ihr nachrief: »Sie wissen, warum ich keine Zeit hatte!«
Langsam drehte Lena sich wieder um. »Mein Geburtstag wurde auch immer verschoben, als ich noch ein Kind war.«
Sören kam näher, schaute ihr aufmerksam ins Gesicht. »Und? Fanden Sie das gut?«
Nein, es hatte ihr natürlich nicht gefallen. Selbst heute spürte sie noch einen feinen Stich, wenn sie an die Enttäuschungen ihrer Kindheit dachte. Daran, dass ihre Eltern nur selten Zeit für sie gehabt hatten. Das war einer der Gründe, weshalb sie sich selbst gegen eine Familie entschieden hatte. Karriere und Familie, davon war Lena überzeugt, waren nicht unter einen Hut zu bringen.
Auf Sörens Frage antwortete sie: »Ich war ein vernünftiges Kind und habe begriffen, dass manche Dinge Vorrang haben.« Sie verschwieg, dass ihr das erst im Erwachsenenalter klar geworden war.
»Das würde Clara sicher auch verstehen«, sagte Sören. »Aber mal ehrlich, hat so eine Werbekampagne wirklich Vorrang?«
Lena schaute ihn an, wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie fragte sich selbst, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn ihre Eltern ebenso gedacht hätten wie Sören Sand. Er griff an ihr vorbei und öffnete die Tür. Zusammen traten sie ein.
Malin war eine sehr herzliche und freundliche Frau. Lena mochte sie auf Anhieb. Harald kannte sie schon von der Präsentation, sie fand ihn sehr nett, auch wenn er eher zurückhaltend war. Trotzdem wurde sie in diesem Kreis aufgenommen, als hätte sie immer schon dazugehört, und selbst Clara war ihr gegenüber heute aufgeschlossen und freundlich.
Anfangs drehte sich die Unterhaltung ausschließlich um Kristina. Lena wusste nicht, wie ihre Chefin es immer wieder schaffte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber alle Blicke waren auf Kristina gerichtet, während sie von sich erzählte und sich selbst wegen ihrer Disziplin rühmte. Um das unter Beweis zu stellen, lehnte sie sogar eine weitere Portion des köstlichen Hechtes ab, den Malin gekocht hatte.
»War sie immer schon so diszipliniert?«, nutzte Lena die Gelegenheit, etwas mehr über Kristina zu erfahren. Fragend schaute sie Malin an.
Kristina, die neben Lena saß, drohte Malin lachend mit dem Zeigefinger. »Lass dir nichts aus der Nase ziehen, was gegen mich verwendet werden könnte.«
Malin lachte ebenfalls, wenn auch verhalten. »Kristina war ehrgeizig, neugierig und begeisterungsfähig«, sagte sie zu Lena. »Die Disziplin muss später dazugekommen sein.«
»Das stimmt«, mischte sich Harald in die Unterhaltung ein. Sein Blick war liebevoll auf Kristina gerichtet. Lena bemerkte, dass das Lächeln auf dem Gesicht ihrer Gastgeberin plötzlich angestrengt wirkte.
»Kristina war ein genialer Chaot«, fuhr Harald fort. »Immer fünf Projekte gleichzeitig, und nie hat sie eines fertigbekommen.« Es klang nicht abwertend, eher fast schon bewundernd.
»Das hat sich aber grundlegend geändert«, sagte Lena. »Kristina ist der disziplinierteste Mensch, den ich kenne.«
Sören, der ihr gegenüber neben Malin saß, schaute ihr mit einem Lächeln in die Augen. »Vielleicht liegt es ja daran, dass sie eine perfekte Assistentin hat.«
Sörens Worte schienen Kristina gar nicht zu gefallen. Aus dem Augenwinkel sah Lena, dass ihr Blick zwischen Lena und Sören hin und her wanderte. Lena wusste nicht, was sie sagen sollte.
Kristinas Augen verengten sich. Ihre Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen.
»Leider verlassen einen perfekte Assistenten irgendwann. Weil sie so gut sind, dass sie ihren eigenen Weg gehen müssen. Zum Beispiel nach New York.«
Lena spürte, dass sich Sören augenblicklich innerlich zurückzog. Er lächelte auch nicht mehr, sagte aber kein Wort.
Stattdessen fragte Malin nach: »Sie gehen nach New York?«
»Im Herbst fange ich bei Meyers & Sheldon an«, bestätigte Lena und warf einen schnellen Blick auf Sören. Er war jetzt sehr mit dem Fisch auf seinem Teller beschäftigt.
»Wirst du da kein Heimweh haben?«, fragte Clara plötzlich.
Kristina gab Lena gar keine Möglichkeit, dem Kind selbst zu antworten. »Heimweh ist etwas für Feiglinge«, sagte sie von oben herab.
Lena hatte den Eindruck, dass Kristina das Mädchen damit einschüchterte. Obwohl Clara sich ihr gegenüber gestern ziemlich zickig benommen hatte, tat ihr das Kind jetzt leid.
»Ich werde dort vor lauter
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