Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
Junge, dem man ohne Bedenken sein Leben anvertrauen kann.«
»Ich wusste nicht, dass ich das einmal war«, sagte Harald mit einem stillen Lächeln.
»Doch, das warst du. Ein Fels in der Brandung. Jemand, auf den man sich bedingungslos verlassen konnte.«
»Trotzdem hast du mich verlassen.« Die Qual, die er damals empfunden haben musste, stand auch jetzt in seinen Augen. »Ich habe nie verstanden, wieso du einfach gegangen bist. Ohne Erklärung, ohne Abschied.«
Sie sagte kein Wort, aber ihr eben noch lächelndes Gesicht war ganz ernst geworden.
»Warum, Kristina?«, fragte er drängend.
»Du hast es doch selbst gesagt«, erwiderte sie leise. »Die Welt wartete auf mich.«
»War dir eigentlich klar, wie sehr ich dich geliebt habe?«, fragte er heiser.
Kristina sagte nichts. Sie griff nach seiner Hand und schmiegte sie an ihr Gesicht.
»Es fühlt sich genau an wie damals«, sagte er. Seine Finger streichelten über ihre Wange, während sie seine Hand immer noch hielt. »Ich glaube, ich habe nie aufgehört, an dich zu denken.«
Beide zuckten zusammen, als ihr Handy klingelte.
»Geh nicht ran«, bat Harald.
»Es könnte ein Kunde sein.« Kristina ließ seine Hand los und griff nach dem Handy. Der Zauber des Augenblicks war verschwunden. Sachlich meldete sie sich: »Kristina Asmussen.«
»Hej, Kristina«, sagte Malin betont fröhlich. »Ich hätte gerade Zeit. Wir könnten uns doch noch einmal treffen, bevor du abreist.«
»… äh … das ist jetzt ganz schlecht«, druckste Kristina herum. »… ich … äh … ich bin gerade in einer geschäftlichen Besprechung. Ich rufe dich später wieder an, ja?«
Kurz und knapp. Eigentlich wusste Malin jetzt auch nicht mehr, und trotzdem war sie sicher, dass Kristina gelogen hatte. Sie konnte nichts machen. Außer hier zu warten und zu hoffen …
Sie hätte sich gar nicht so beeilen müssen. Kristina war nicht im Hotel und ließ sich auch bis zum Mittag nicht blicken. Lena erklärte ihr per Mail, wo sie gerade war, und verbrachte die nächste Stunde mit ihrem Notebook am Seeufer. Sie hatte den Steg in der Nähe des Hotels zufällig entdeckt. Sogar eine Sitzgelegenheit und ein kleiner Tisch standen darauf, als hätte ein Mensch sich diese Stelle extra geschaffen, um in Ruhe die Aussicht zu genießen.
Außer ihr war kein Mensch hier, und sie konnte in Ruhe arbeiten, auch wenn ihre Gedanken immer wieder abschweiften. Schließlich klappte Lena das Notebook zu. Kristina hatte sich immer noch nicht gemeldet.
Lena war unzufrieden. Eigentlich müssten sie längst auf dem Rückweg nach Stockholm sein. Sie ging zurück zum Hotel, brachte das Notebook aufs Zimmer und aß eine Kleinigkeit im Restaurant des Hotels. Immer wieder schaute sie auf ihr Handy, aber Kristina meldete sich nicht.
Als sie durch die Hotelhalle zurück in ihr Zimmer wollte, kam ihre Chefin gerade durch die Halle. Sie sah schöner aus denn je, ihr Schritt war beschwingt, und ihre Stimme klang fröhlich, als hätte sie einen schönen Vormittag gehabt.
»Hast du dein Handy gefunden?«, fragte sie Lena.
Lena nickte. »Es war mir tatsächlich am See aus der Tasche gerutscht.«
»Gut«, sagte Kristina, »ich mache mich kurz frisch, dann treffen wir uns an diesem Steg, von dem du eben geschrieben hast.«
Lena starrte sie einen Augenblick lang sprachlos an. »Aber ich dachte, wir fahren zurück«, sagte sie schließlich. »In Stockholm wartet jede Menge Arbeit auf uns.«
»Entspann dich«, erwiderte Kristina fröhlich. »Wir können genauso gut von hier aus arbeiten.«
Während der nächsten Stunden war Kristina sehr unkonzentriert. Das war ungewöhnlich für sie, aber so bemerkte sie nicht, dass auch Lena nicht ganz bei der Sache war. Sie besprachen ein neues Projekt, das noch in der Planungsphase war. Zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kamen sie aber nicht. Mitten in der Arbeit brach Kristina plötzlich ab und erklärte, sie müsse noch einmal auf ihr Zimmer. Sie wartete eine Antwort erst gar nicht ab.
Lena schaute ihr verwundert nach. Seit sie in Söderholm waren, war Kristina völlig verändert.
Harald war stundenlang durch die Gegend gefahren. Er musste nachdenken, musste die vielen Dinge verarbeiten, die in den letzten beiden Tagen auf ihn eingestürmt waren. Außerdem wollte er Malin aus dem Weg gehen. Es war nichts passiert zwischen ihm und Kristina, weswegen er sich schämen müsste. Trotzdem fühlte er sich schuldig, als hätte er seine Frau betrogen. In Gedanken hatte er es in den letzten
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