Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
es Lena durch den Kopf, als sie ins Bett ging. Konnte es sein, dass so etwas ebenso plötzlich verschwand, wie es gekommen war? Tatsächlich fühlte sie sich hier in der Landluft so gut wie schon lange nicht mehr. Ihr fehlte nichts. Weder der Stockholmer Autolärm, noch die Abgase …
»Schluss jetzt, Lena«, sagte sie laut zu sich selbst. Nur kurz gelang es ihr, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, indem sie sich ihre Arbeit in New York vorstellte. Irgendwann war da in ihrer Vorstellung wieder der See. Sie am Ufer, Hand in Hand mit einem Mann. Ein kleines Mädchen lief vor ihnen her.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein, und sie lächelte immer noch, als sie am nächsten Morgen wieder aufwachte. Sie stand sofort auf und machte sich noch vor dem Frühstück auf den Weg zum See. Bis zu der Stelle, wo die Birkenstämme den Weg versperrten, fand sie den Weg ohne Sörens Skizze.
Lena parkte an der gleichen Stelle wie am Tag zuvor, stieg aus und machte sich auf den Weg in Richtung See. Im Wald fand sie sich heute ebenfalls leichter zurecht, und so kam sie an der gleichen Stelle heraus wie am Vortag. Die Schönheit der Landschaft ließ sie auch jetzt wieder einen Moment innehalten. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass sie sich so mit der Natur im Einklang fühlen konnte.
Langsam ging sie weiter, bis zu der Stelle am Felsen, wo sie am Vortag gesessen hatte. Aufmerksam sah sie sich um, aber ihr Handy war nirgendwo zu sehen. Suchend ging sie weiter bis zum Wasser. Nichts.
»Hej«, sagte jemand hinter ihr. Lena erschrak und wandte sich um. Erstaunt sah sie Sören auf sich zukommen, um seinen Hals baumelte ein Fernglas, in der Hand hielt er ihr Handy. »Suchen Sie das hier?«
Lena lachte. »Gott sei Dank, Sie haben es gefunden! Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich es verloren hätte.« Sie schauten sich an, ihre Blicke verfingen sich ineinander. Die Spannung zwischen ihnen war greifbar.
Lena fühlte sich plötzlich unendlich hilflos. Sie spürte das Kribbeln in ihrem Bauch, das Knistern zwischen ihnen und wusste doch, dass sie sich nicht darauf einlassen durfte. »Das Handy ist nicht nur mein Büro mit allen Terminen und Adressen, es ist …«, stammelte sie hilflos.
»… Ihr Leben«, sagte Sören. Seine Stimme war sanft, sein Lächeln ließ ihr die Knie weich werden. Sie riss ihren Blick los und wandte sich abrupt zum Gehen, aber Sören blieb an ihrer Seite. Als sie den Felsen hinunterstiegen, griff er nach ihrer Hand, damit sie nicht stolperte. Seine Hand war warm und stark, ließ die ihre aber wieder los, sobald sie den ebenen Boden erreicht hatten. Sie gingen ein paar Schritte weiter. Lena zwang sich, geradeaus zu sehen, bis Sören auf ihre Schulter tippte und in den Himmel wies.
Lena folgte seinem Blick und sah erstaunt den großen Vogel, der am Himmel seine Kreise zog. Er schien zu schweben, beeindruckend und majestätisch. Sie folgten ihm mit ihren Blicken, bis er zwischen den Bäumen verschwand.
Sören bedeutete ihr mit einer Geste, leise zu sein, und führte sie dann ein Stück weiter zu einem Felsen. Lena spürte, wie die Spannung in ihr wuchs, sie fühlte sich fast wie in einem Detektivroman. Schließlich hielt Sören an und hob langsam das Fernglas an die Augen. Er schien etwas zu suchen, dann reichte er ihr das Fernglas und zeigte in die Richtung, in die sie schauen sollte.
Gespannt hob Lena das Fernglas an ihre Augen. Zuerst sah sie nur ein Gewirr aus Ästen und Blättern und hielt dann aber den Atem an. Zwei Adler hockten auf dem Rand ihres Horstes. Einer der beiden fütterte die Jungvögel, während der andere aufmerksam die Umgebung beobachtete.
Lena betrachtete das Schauspiel eine Weile und senkte dann langsam das Fernglas. Sie reichte es Sören, der sich auf den Felsen gesetzt hatte, und nahm neben ihm Platz. Es war wie im Traum, und sie hätte es nie für möglich gehalten, dass eine Landschaft und ein paar Vögel sie derart faszinieren konnten. Sie war dankbar und glücklich, dass Sören ihr diese Stelle gezeigt hatte. Aber da war noch mehr. Seine Nähe, seine Wärme, die sie dicht bei sich fühlte …
»Ich bin froh, dass ich gestern mein Handy vergessen habe«, sagte sie schließlich leise und sehr verwirrt.
»Ich auch.« Sören schmunzelte. »Ich habe schon befürchtet, Sie wären nur mit amerikanischen Großstädten zu beeindrucken.«
Lena starrte geradeaus. »Das können Sie nicht verstehen, nicht wahr? Dass ich wegwill, dass ich die Welt
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