Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
Sinnbild sozusagen für die Freude und die Hoffnung, die sie damals empfunden hatte. Später hatte sie die Vase nach ganz hinten in den Schrank geräumt, sich aber noch nicht davon trennen können. Jetzt flog sie in die Mülltonne – und Valerie empfand nichts dabei.
Valeries Kündigung wurde in der Kanzlei mit großem Bedauern entgegengenommen. Auch ihr fiel der Abschied nicht leicht. Viele der Kollegen waren inzwischen zu Freunden geworden, und sie würden versuchen, Kontakt zu halten. Sie wusste allerdings aus Erfahrung, dass dieser feste Vorsatz im Laufe der Zeit meist verblasste und nur die ganz engen Freunde blieben. Allen voran ihre Freundin Johanna.
Johanna versprach ihr, ganz oft nach Boxenberg zu kommen, und drohte scherzhaft damit, sich in einem eventuellen Gästezimmer sogar heimisch einzurichten.
Lasse schien eher voller Vorfreude denn von Abschiedsschmerz erfüllt. Valerie ahnte, dass er seine Freunde vermissen würde, trotzdem war sie zuversichtlich, dass er in Boxenberg schnell Anschluss und neue Freunde finden würde. Lasse war grundsätzlich ein offener Mensch, der gerne Kontakt zu Menschen hatte. Sie wusste, dass sie sich in dieser Hinsicht im Grunde um ihn keine Sorgen machen musste.
Als der Morgen ihres Umzugs kam, konnte Valerie kaum fassen, dass die Wochen so schnell vergangen waren. Lasse, hibbelig vor Vorfreude, war seit kurz nach fünf auf den Beinen und hatte auch sie nicht schlafen lassen.
Die Spedition hatte bereits am vergangenen Nachmittag alle Möbel und Kartons verladen, um schon früh am Morgen zusammen mit Valerie aufbrechen zu können. Nach einem eiligen Frühstück dauerte es keine fünf Minuten, bis die beiden Matratzen, auf denen Lasse und Valerie geschlafen hatten, sowie ihr Bettzeug ebenfalls in den Lkw gepackt waren.
Lasse saß schon unten im Auto, als Valerie noch einen letzten Rundgang durch die Wohnung machte. So leer und kahl die Wohnung auch wirkte, es berührte sie, Abschied zu nehmen. Sie hatte einen wichtigen Teil ihres Lebens hier verbracht, Höhen und Tiefen erlebt, aber das war nun unwiederbringlich vorbei.
Valerie atmete tief durch, verließ die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu. Ein Abschnitt ihres Lebens ging zu Ende, und nun begann ein neuer. Sie empfand gleichermaßen Wehmut und Vorfreude.
Die Wehmut ließ mit jedem Meter nach, den sie sich von Stockholm entfernte.
Sie genoss die Fahrt nach Boxenberg, den Wind, der ihr Haar zerzauste, den Anblick der Felder rechts und links der Straße. Als die Ostsee in ihr Blickfeld kam, schlug ihr Herz vor Freude schneller. Kurz vor dem Ortsschild bog sie nach rechts in einen Schotterweg ab, so wie Ludvig Stekkelson es ihr beschrieben hatte. Als sie wenige Minuten später einen leichten Hügel hinauffuhren, blieb Valerie und Lasse der Mund vor Staunen offen stehen. Ludvig Stekkelson hatte ihr gesagt, dass das Haus ein wenig außerhalb von Boxenberg lag. Nicht verraten hatte er ihr, dass es direkt am Wasser war.
»Das ist es?«, fragte Lasse in einem Ton, der verriet, dass er es nicht fassen konnte.
Valerie fuhr die letzten Meter bis zum Haus, stellte den Motor ab und verharrte vollkommen reglos im Wagen, sprachlos von der Idylle um sie herum. Das hier war zu schön, um wahr zu sein. Das Haus war rot gestrichen, die geschnitzten Fensterrahmen weiß abgesetzt. Rund um das Haus blühten Sommerblumen üppig in allen erdenklichen Farben. Die Wiese um das Haus führte bis hinunter ans Ufer, ein Badesteg vom Ufer bis ins Wasser, weit draußen war eine kleine Insel zu sehen. Das Grundstück war von hohen Bäumen umgeben, und als Valerie kurz die Augen schloss, hörte sie, wie sich das Vogelgezwitscher mit dem Schmatzen der Wellen vermischte, die ans Ufer schlugen.
Langsam öffnete sie die Augen. Als Ludvig Stekkelson ihr den Mietpreis mitgeteilt hatte, hatte sie schon befürchtet, dass es sich um eine Bruchbude handelte. Sie blickte auf den Zettel mit der Wegbeschreibung.
»Es ist die Adresse, die mir Herr Stekkelson gemailt hat«, sagte sie langsam. »Das muss es also sein.«
Valerie und Lasse schauten sich an, bevor sie gleichzeitig wieder den Kopf Richtung Haus wandten.
»Wow!«, rief Valerie begeistert aus. Die Anspannung fiel von ihr ab, machte grenzenloser Freude Platz.
Lasse rief gleichzeitig: »Das ist ja super!«
Sie stiegen aus dem Wagen, während der Lkw rumpelnd um die Ecke bog und langsam den Weg hochzockelte.
»Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, je in so einem Haus wohnen zu dürfen«,
Weitere Kostenlose Bücher