Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
reichte ihm seufzend zwei Gläser, und er goss in jedes Glas gerade so viel ein, dass es zum Probieren reichte. Dann trat er einen weiteren Schritt auf sie zu und reichte ihr eines der beiden Gläser.
»Auf Sie, Valerie. Ich wünsche Ihnen alles Gute zu Ihrem Neustart in Boxenberg«, sagte er sanft.
»Danke, Markus.« Valerie war froh, sich am Glas festhalten zu können. Markus schien es nicht anders zu gehen.
Sie tranken beide einen Schluck. Über den Rand der Gläser hinweg trafen sich ihre Blicke und versanken ineinander …
»Ich habe die Hose gefunden, Mama.«
Valerie zuckte zusammen. Sie fühlte sich, als hätte man sie bei etwas Verbotenem ertappt, und auch Markus wirkte erschrocken. Lasse stand im Türrahmen und musterte Markus mit neugierigem Blick.
Valerie räusperte sich. »Lasse, das ist Markus Hansen.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen normalen Tonfall zu geben.
»Hej, Lasse!«, grüßte Markus freundlich.
»Ich habe Sie schon einmal gesehen«, sagte Lasse und fügte mit einem Blick auf Valerie grinsend hinzu: »Die Jeans war übrigens in deinem Kleiderkarton, Mama. Ich fahr dann mal.«
»Ja, viel Spaß! Und komm nicht zu spät zurück!«, rief Valerie ihrem Sohn hinterher. Als ihr Blick erneut zu Markus wanderte, hatte sie das Gefühl, etwas sagen zu müssen, sich in etwas Banales retten zu müssen, weil sie die Spannung zwischen sich und ihm kaum mehr aushielt.
»Habe ich schon gesagt, dass ich Umzüge hasse? Am liebsten würde ich nie wieder umziehen«, sagte sie.
Markus antwortete nicht, trank noch einen Schluck von dem Bier und stellte das Glas dann zurück auf den Küchentisch. »Mein Angebot gilt«, sagte er. »Melden Sie sich bei mir, wenn Sie Hilfe brauchen.« Er notierte seine Handynummer auf einem Block, der auf dem Tisch lag, und verabschiedete sich.
Valerie war enttäuscht, versuchte aber nicht, ihn aufzuhalten. Sie ahnte, dass sie sich ganz bald wiedersehen würden.
»Ich muss los!«, rief Leonie.
Es war noch sehr früh am Morgen, und sie sprühte schon wieder vor Energie. Markus trat zu seiner Frau in die Diele des hübschen Hauses, das sie zusammen bewohnten. Sie hatten es gemeinsam eingerichtet, mit sehr viel Liebe zum Detail. Darauf hatte besonders Leonie großen Wert gelegt, aber nun war sie so gut wie nie zu Hause.
»Musst du schon wieder weg?«, fragte Markus überrascht, jedoch ohne einen Hauch von Vorwurf in der Stimme. »Wo fährst du denn hin?«
»Handballturnier in Uppsala«, erwiderte Leonie. Sie klang gereizt und ungeduldig. »Ich habe dir mindestens fünfmal davon erzählt.«
Markus grinste. Er nahm seiner Frau diesen knappen Tonfall nicht übel. So war sie nun einmal. Immer in Eile, hektisch, unruhig und, wie er glaubte, von der Angst erfüllt, etwas Wichtiges zu verpassen.
»Tut mir leid, dass ich mit deinen vielen Terminen durcheinanderkomme«, zog er sie auf. »Ich dachte, wir essen heute Abend wieder bei deinen Eltern.«
Markus hatte sich über die erneute Einladung bei Irma gefreut. Leonies Kochversuch am vergangenen Abend war gründlich gescheitert, und so hatten sie schließlich den Pizzadienst bemüht. Wieder einmal. Leonie allerdings hatte nur einen kleinen Happen gegessen und sich kurz darauf wieder hinter ihrem Notebook verschanzt, um einen wichtigen Artikel fertigzustellen.
»Ich habe es Mama schon erklärt«, sagte Leonie mit einem hastigen Blick auf ihre Armbanduhr. »Ach ja, und am Wochenende bin ich beim ATP-Tennisturnier in Stockholm.« Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange und wollte aus dem Haus, doch Markus hielt sie noch einmal zurück.
»Einen Moment noch, Leonie.«
Sie blieb entnervt stehen, schaute ihn ungeduldig an und warf dann wieder einen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Findest du wirklich, dass das richtig ist, so wie es jetzt bei uns läuft?«, fragte er ruhig.
Leonie wirkte verblüfft. »Natürlich ist das richtig so! Es läuft doch alles super«, sagte sie fröhlich. »Ich habe noch nie so viele Aufträge gehabt wie in den letzten Wochen. Und jetzt ist auch noch Lars krank geworden – das ist meine Chance! Die werde ich mir doch nicht entgehen lassen.«
Markus betrachtete sie liebevoll. Das war typisch Leonie. Er hatte über ihre Ehe gesprochen, aber Leonie hatte seine Frage auf ihren Beruf bezogen. So war sie nun einmal. Sie hatte ihm nie etwas vorgemacht. Leonie war nun einmal Leonie.
Die erste Nacht im neuen Haus hatte Valerie tief und fest geschlafen. Sie nutzte den Tag, um sich weiter einzurichten, und hatte
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