Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
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»Schön, Sie kennenzulernen«, sagte Leonie. »Ich habe gehört, Ludvig hat Sie eingestellt. Eigentlich müsste ich ja eifersüchtig auf Sie sein«, fügte sie augenzwinkernd hinzu.
»Wie bitte?« Valerie war verblüfft.
Leonie lachte laut auf. Etwas in ihrem Gesicht, in ihrer Haltung kam Valerie auf eine Art und Weise vertraut vor, die sie sich selbst nicht erklären konnte.
»Ich wollte vor Jahren einmal ein Praktikum bei ihm machen, um zu sehen, ob Jura das richtige Studienfach für mich wäre. Aber Ludvig hat mir erst gar keine Chance gegeben, sondern mir kategorisch erklärt, dass Jura nichts für mich ist. Zu viel Bauch, zu wenig Kopf, das waren seine Worte. Er meinte, ich hätte ganz andere Talente. Also habe ich nie bei ihm gearbeitet und nie herausfinden können, ob ich nicht eine Spitzenjuristin geworden wäre. Eigentlich ist das eine Schande.« Als Leonie wieder laut lachte, fiel Valerie in ihr Lachen ein.
»Sie sehen nicht sehr unglücklich aus«, stellte sie schließlich fest. »Sehr kann Sie das also nicht getroffen haben.«
Erst jetzt bemerkte Valerie Olof Wilander im Türrahmen. Er lächelte und schaute abwechselnd sie und Leonie an. Als sein Blick den ihren traf, trat er heran und legte einen Arm um Leonies Schultern.
»Sie hat es sehr schnell überwunden«, sagte er liebevoll und blickte seine Tochter stolz an. »Weil sie genau das tut, was ihr liegt und was ihr Spaß macht. Sie ist Sportreporterin geworden. Eine der besten in diesem Land.«
Valerie befiel plötzlich Wehmut. Einen solchen Moment wie diesen hätte sie auch gerne einmal erlebt. Einen Vater, der sie in den Arm nahm und stolz auf sie war …
»Schön, dass Sie gekommen sind, Valerie«, unterbrach Olof ihre Gedanken und wandte sich gleich darauf an ihren Sohn. »Hej, Lasse.« Fröhlich zwinkerte er dem Jungen zu.
Lasse grinste über das ganze Gesicht.
»Ihr Sohn saß heute auf dem Pferd, als hätte er nie etwas anderes gemacht«, sagte Olof zu Valerie. »Sind Sie auch so eine Pferdenärrin?«
Valerie schüttelte den Kopf. »Weder ich noch sein Vater. Ich habe keine Ahnung, woher er das hat.«
Sie hörte, wie jemand hinter ihr den Raum betrat, und wandte sich um, als Irma sagte: »Schön, dann sind wir ja alle beisammen und können anfangen.«
Valeries Herz machte einen Sprung, als sie den Mann erkannte. »Markus!«
Olof schaute sie verwundert an. »Sie kennen meinen Schwiegersohn schon? Dann muss ich Sie ja nicht vorstellen«, sagte er offensichtlich belustigt.
Für einen Augenblick schien die Welt um Valerie stillzustehen. Seinen Schwiegersohn? Markus Hansen war Olofs Schwiegersohn? Er war Leonies Ehemann?
Sie starrte Markus an, er starrte zurück. Sie meinte, in seinen Augen denselben Schock auszumachen, den sie selbst empfand. Valerie zwang sich mit aller Macht, die Starre abzuschütteln. Die anderen schienen nichts bemerkt zu haben, sie versammelten sich gerade um den Tisch.
»Setzt euch bitte«, sagte Irma, »das Essen wird sonst kalt.«
»Ja … ja … sofort …«, stammelte Valerie. Sie wollte einfach nur weglaufen, weit weg, konnte all diese Menschen mit einem Mal nicht mehr ertragen. Das Lachen, ihre Stimmen.
Sie musste hier raus, wenigstens für einen Moment, musste sich sammeln.
»Ich möchte mir nur gerne die Hände waschen«, stieß sie hervor.
Olof bot sich an, ihr den Weg zeigen, aber Markus war schneller. Er griff nach ihrem Arm, und Valerie konnte sich nicht wehren, ohne Aufsehen zu erregen.
»Valerie, ich …«, begann er, sobald sie außer Hörweite waren, doch Valerie fiel ihm sofort ins Wort und fragte mit eisiger Stimme nach dem Bad.
Markus wies auf eine Tür, und Valerie verschwand dahinter. Sie schloss die Tür hinter sich und kämpfte verzweifelt mit den Tränen.
Sie ließ kaltes Wasser über ihre Unterarme laufen, doch auch das lenkte sie nicht von ihrem Schmerz ab. Als sie in den Spiegel schaute, konnte sie sich kaum noch beherrschen. Sie blickte ihrem Spiegelbild fest in die Augen, sah den Schmerz darin, die Enttäuschung und die tiefe Traurigkeit. Sie schluchzte leise auf.
Nein, befahl sie sich energisch. Nein, du wirst nicht weinen! Du hast es dir geschworen, damals nach Dag. Niemals wieder wird dich ein Mann zum Weinen bringen.
Und was noch viel wichtiger ist: Niemals wird wegen dir eine andere Frau weinen, weil du ihr den Mann ausgespannt hast.
Valerie atmete einige Male tief durch. Nur diesen einen Abend, sagte sie zu sich selbst. Du musst nur diesen einen Abend
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