Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
schon so lange vorbei.«
»Schon lange«, echote Irma. »Was soll das heißen? Wie lange geht das denn schon mit den beiden?«
Allmählich dämmerte es Olof, dass sie nicht von ihm, sondern von etwas anderem sprach. Jetzt musste er nur noch herausfinden, worum es überhaupt ging, ohne sich selbst zu verraten. Er zögerte.
»So ganz genau weiß ich das auch nicht«, sagte er schließlich ausweichend. »Wie hast du es denn erfahren?« Er war erstaunt, dass seine Stimme so beiläufig klang.
Irmas Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe zufällig mitbekommen, wie Markus mit Valerie telefonierte. Er sagte, er liebt Leonie schon lange nicht mehr!«
Die Erleichterung wich eisigem Entsetzen. Er konnte nichts sagen, starrte seine Frau nur an. Markus und Valerie! Und das war seine Schuld. Er war schuld, dass es Valerie gab, und er hatte dafür gesorgt, dass sie nach Boxenberg kam, obwohl Ludvig ihr schon so gut wie abgesagt hatte.
»Ich habe geahnt, dass sie Probleme haben«, sagte Irma dumpf. »Ich wusste aber nicht, dass es die Schuld dieser Frau ist. Wenn sie weggeht, haben Leonie und Markus noch eine Chance.« Sie fasste ihn energisch am Arm. »Wir müssen unserer Tochter helfen, ihre Ehe zu retten.«
Olof schüttelte seine Starre ab. »Ja, natürlich«, stimmte er sofort zu. Seine Gedanken rasten, seine Schuldgefühle wurden unerträglich. »Ich werde das nicht zulassen«, versprach er seiner Frau, obwohl er im Moment noch keine Ahnung hatte, wie er dieses ganze komplizierte Geflecht ohne Schaden auflösen konnte.
»Du musst mit Ludvig reden«, drängte Irma.
»Ja, natürlich.« Er nickte zerstreut. Als er seine Frau anblickte, sah er die Verzweiflung in ihren Augen. Er nahm sie in die Arme. »Mach dir keine Sorgen, sie wird bald wieder weg sein. Wir werden sie vergessen, und es wird so sein, als wäre sie nie hier gewesen.«
Habe ich das wirklich gesagt?, schoss es ihm durch den Kopf. Kann es wirklich wieder so werden wie vorher? Kann ich Valerie und den kleinen Lasse aus meinem Gedächtnis streichen, als hätte es sie nie gegeben?
Olof kannte die Antwort auf diese Fragen. Die beiden hatten längst einen Platz in seinem Herzen. Es war eine ganz besonders perfide Ironie des Schicksals, dass die eine Tochter jetzt die Ehe der anderen zerstörte.
Lasse hatte sein Zimmer den ganzen Abend nicht verlassen und kein Wort mehr mit ihr gesprochen, ihr nicht einmal eine gute Nacht gewünscht. Valerie hatte ihm zuerst sein Abendbrot vor die Tür gestellt und war später noch einmal zu ihm ins Zimmer gegangen, aber er hatte sich schlafend gestellt. Valerie war sich zwar ganz sicher, dass er nicht schlief, hatte ihn aber trotzdem in Ruhe gelassen. Sie hatte sich vorgenommen, am nächsten Tag in aller Ruhe mit ihm zu reden und sich bis dahin eine Begründung für ihre Entscheidung, dass er nicht mehr zu Olof gehen sollte, zu überlegen. Sie mochte ihren Sohn nicht anlügen, aber die Wahrheit konnte sie ihm unmöglich sagen.
Als sie wieder nach unten kam, verkündete ihr blinkendes Handy eine neue Nachricht von Markus. Auch diesmal hörte sie sich die Ansage erst gar nicht an, sondern löschte sie sofort.
Markus hätte ihr gleich die Wahrheit sagen müssen. Valerie hatte keine Ahnung, wie sie den Schmerz aushalten sollte. Markus sollte sie einfach in Ruhe lassen.
Valerie zog es nach draußen. Die kleinen Lämpchen der Außenbeleuchtung spendeten entlang des Steges ein warmes, gedämpftes Licht und schufen damit eine romantische Atmosphäre, die ihr das Herz erst recht schwer machte.
Sie trug einen kleinen Tisch und zwei Stühle hinunter auf die Plattform am Ende des Steges. Morgen wollte sie hier den Frühstückstisch decken in der Hoffnung, dass es Lasse gefiel und die Atmosphäre ihn ein wenig versöhnlicher stimmte.
Valerie setzte sich seufzend auf einen der beiden Stühle. Es war eine wunderschöne Nacht, wie geschaffen für zwei Menschen, die sich liebten. Das Wasser schimmerte golden im Schein der Lampen, die Bäume am Ufer spiegelten sich auf der Oberfläche. Die Umrisse der Inseln weiter draußen zeichneten sich dunkel gegen den Nachthimmel ab. Das Rauschen der Wellen klang wie ein pulsierender, immerwährender Rhythmus.
Als Valerie Schritte hinter sich vernahm, glaubte sie, es wäre Lasse.
»Kannst du nicht schlafen, Schatz?«, fragte sie liebevoll, ohne sich umzudrehen.
»Du kannst nicht so tun, als wäre nichts zwischen uns.«
Valerie wandte erschrocken den Kopf. Markus stand hinter ihr und kam jetzt
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