Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
näher. Unaufgefordert setzte er sich auf den Stuhl neben ihr. Er beugte sich vor und sah ihr ins Gesicht. Sein Blick wirkte ernst und entschlossen.
»Valerie, lass es mich erklären«, sagte er ruhig. Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: »Leonie und ich leben schon lange nebeneinanderher. Das war für uns beide in Ordnung, und wir hatten bisher keinen Grund, das öffentlich zu machen. Sie macht, was für sie wichtig ist, und ich gehe meinen Weg.«
Valerie hörte ihm aufmerksam zu. Sie sah und spürte, dass er seine Worte ernst meinte, aber nachvollziehen konnte sie sie nicht, schon gar nicht bei einem Menschen wie Markus, den sie so leidenschaftlich erlebt hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie so ein Leben möglich war. Über so lange Zeit. Ohne Liebe, ohne Höhen und Tiefen. Und so zu tun, als wäre man glücklich miteinander.
»Aber damit macht ihr allen etwas vor«, erwiderte sie vorwurfsvoll und zog fröstelnd die Schultern hoch.
»Vielleicht«, gab Markus zu und beugte sich ein wenig vor. »Aber wir hatten keine Probleme damit. Unser Leben war ruhig und irgendwie auf einer geraden Bahn. Wir hatten keinen Grund, etwas zu ändern. Als es uns klar wurde, wollten wir niemandem wehtun. Vor allem Olof und Irma nicht. Sie wünschen sich so sehr, dass wir glücklich miteinander sind. Waren wir ja auch, aber eben nicht so, wie sie sich das vorstellen.« Er räusperte sich. »Irgendwie wussten Leonie und ich immer, dass sich alles ändern würde, wenn eines Tages jemand kommt, in den sich einer von uns verliebt.«
Valerie hörte ihm zu, seine Worte berührten sie, obwohl für sie eine Ehe mit einem Menschen, den sie nicht liebte, undenkbar war.
»Leonie und ich waren schon seit unserer Kindheit befreundet«, fuhr Markus fort. »Wir waren immer zusammen, und irgendwann war klar, dass wir heiraten. Alle hielten das für selbstverständlich, und wir auch. Anfangs haben wir sogar beide gedacht, dass uns tatsächlich so etwas wie Liebe verbindet. Aber erst jetzt weiß ich, was es wirklich heißt, jemanden zu lieben. Ich habe so etwas noch nie empfunden.«
Als er nicht weitersprach, sah Valerie ihn fragend an. Markus suchte offensichtlich nach den richtigen Worten, um seine Gefühle zu beschreiben.
»Es ist so anders als mit Leonie … ich … In mir ist so ein Sehnen, so ein atemloses Wünschen, dich Tag und Nacht bei mir zu haben.«
Er nahm ihre Hände, und Valeries Widerstand brach. Sie beugte sich vor, ihr Blick suchte seinen.
Markus hielt ihren Blick fest und löste seine Hände aus ihrem Griff. Er stand auf, zog sie hoch und nahm sie in die Arme. »Es ist so neu und überwältigend für mich«, flüsterte er.
Überwältigend war es für sie auch, dieses Gefühl, das seine Nähe, seine Stimme in ihr auslöste, und doch konnte sie ihm noch nicht nachgeben.
»Und du brichst Leonie nicht das Herz?«, fragte sie ängstlich.
Markus schaute ihr offen ins Gesicht. »Sie wünscht mir, dass ich glücklich bin. Ebenso wie ich es ihr wünsche.« Seine Stimme wurde drängender. »Spürst du denn nicht, dass das die Wahrheit ist?«
Sie glaubte ihm, fühlte es mit jeder Faser ihres Herzens. »Doch«, sagte sie und lächelte.
Markus atmete hörbar auf. Er nahm sie in die Arme. Sie spürte seinen Atem, glaubte seinen heftigen Herzschlag zu hören. Oder war es ihr eigenes Herz, das so wild schlug?
Sein Mund senkte sich auf ihre Lippen. Sie öffnete sie leicht, spürte sein Zunge, seine Wärme. Sie wollte ihn. Für sie beide gab es nur noch das Hier und Jetzt.
Markus wäre am liebsten die ganze Nacht bei ihr geblieben, aber sie wussten beide, dass das keine gute Idee war. Nicht nur wegen Lasse, sondern auch weil Leonie und Markus ihre Trennung noch nicht bekannt gegeben hatten.
Trotzdem war Valerie an diesem Morgen glücklich wie schon lange nicht mehr. Lasse hatte das Frühstück auf dem Steg sichtlich gefallen, trotzdem war er den gesamten Morgen über sehr einsilbig gewesen und hatte ihr die kalte Schulter gezeigt. Dennoch war Valerie zuversichtlich. Jetzt würde alles gut werden, auch mit ihrem Sohn.
Voller Optimismus kam sie früh in die Kanzlei. Die beiden Sekretärinnen waren noch nicht da, aber die Tür zu Ludvig Stekkelsons Büro stand offen, und aus dem Raum drangen Stimmen. Valerie ging leise zur Garderobe neben der geöffneten Bürotür und wollte gerade ihre Jacke aufhängen, als sie aufhorchte.
»Ich weiß, was ich da von dir verlange, aber sie kann hier nicht bleiben! Ludvig, du musst sie
Weitere Kostenlose Bücher