Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
richtig.
»Ich glaube es nicht!« Leonie ließ sich lachend aufs Sofa fallen. »Wir sind eine schöne Familie! Hier belügt offensichtlich jeder jeden, und das wohl schon eine ganze Weile!«
Sie breitete die Arme aus. »Herzlich willkommen in unserer Familie, Valerie!«, sagte sie.
Valerie setzte sich neben sie aufs Sofa und erwiderte die Umarmung dankbar.
Eine Schwester, sagte sie sich, ich habe eine Schwester! Und noch dazu eine, die mir sehr sympathisch ist.
»Das ist großartig.« Leonie freute sich ganz offensichtlich auch. »Ich gebe meinen Mann auf und bekomme dafür eine Schwester.« Sie umarmte Valerie herzlich und streichelte über Markus’ Arm, als der sich auf die Sofalehne zu Valerie setzte. »Und dazu bekomme ich einen Schwager, an den ich mich nicht erst gewöhnen muss.«
Sie lachte wieder laut auf. »Das ist alles ziemlich schräg, aber mir gefällt es.«
Olof fand Irma im Garten auf der Bank inmitten der blühenden Wiese. Stocksteif saß sie da, die Hände im Schoß gefaltet. Sie wandte nicht den Kopf, als er sich neben sie setzte, und starrte weiter unablässig aufs Wasser.
Olof sagte kein Wort. Es gab nichts, was er noch sagen konnte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fing Irma an zu sprechen. »Das Schlimmste ist nicht, dass du eine Affäre hattest oder dass du eine Tochter hast.«
»Ich weiß«, sagte Olof, »das Schlimmste ist mein Schweigen, die ganzen Jahre lang. Weißt du, manche Männer haben Angst, dass sie keinen beruflichen Erfolg haben, keine sportlichen Höchstleistungen bringen oder keine gesellschaftliche Anerkennung bekommen. Ich habe immer nur Angst gehabt, ich könnte meine Familie verlieren. Ich fürchtete, du würdest mich verlassen, wenn du von diesem Kind erfährst.« Olof schüttelte den Kopf. »Das hätte ich nicht überlebt. Glaubst du mir das?«
Irma schaute ihn an. Zum ersten Mal, seit er sich zu ihr gesetzt hatte. »So wenig Vertrauen hattest du in unsere Liebe, dass du lieber die ganzen Jahre mit einer Lüge gelebt hast?«
»Verzeih mir«, bat Olof. »Ich liebe dich sehr, Irma, ich will dich nicht verlieren. Bitte, sag mir, dass du mir verzeihst.«
»Ach, Olof, was heißt denn hier verzeihen?«, stieß sie aufgebracht hervor. »Das geht mir zu schnell. Ich bin so wütend, dass ich gar nicht weiß, was ich machen soll. Ich weiß nur …«, sie brach ab, und als sie kurz darauf weitersprach, war ihre Stimme weich und zärtlich, »… dass ich mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen kann. Ich liebe dich nämlich, weißt du?« Tränen liefen über ihre Wangen. »Wie kann man nur so blöd sein?«
Olof ließ sie schweigend gewähren, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. »Ich werde dir wohl verzeihen müssen«, sagte sie nach einer Weile, »weil ich sonst auf diesen wundervollen Enkelsohn verzichten müsste.« Unter Tränen lächelte sie ihn an und fügte leise hinzu: »Und auf dich.«
Olof lehnte seine Stirn an ihre Stirn. Tiefe Dankbarkeit erfüllte ihn, weil das Schicksal ihm eine solche Frau geschenkt hatte und zwei Töchter, die er liebte.
Valerie hatte Lasse die Nachricht, dass sie nun doch in Boxenberg blieben und er wieder zu Olof reiten gehen konnte, sofort überbracht. Er hatte sie mit großer Begeisterung aufgenommen und seine Mutter mit seiner Umarmung fast erdrückt. Valerie hatte zusammen mit Olof und Irma beschlossen, am folgenden Abend gemeinsam bei den Wilanders zu essen. Dann wollten Olof und Valerie Lasse sagen, dass Olof sein Großvater war.
Es war ein wundervoller Abend. Die Dunkelheit war hereingebrochen, nur die kleinen Lampen erhellten den Steg. Eine Kerze brannte auf dem Tisch, die Wellen plätscherten leise ans Ufer.
Markus hatte einen Arm um Valeries Schultern gelegt. »Ist alles gut?« Prüfend schaute er ihr ins Gesicht.
»Eines musst du mir versprechen«, bat Valerie.
Markus wusste offensichtlich sofort, was sie meinte. »Immer die Wahrheit«, sagte er. »Keine Lügen.«
»Unter keinen Umständen«, bekräftigte sie und küsste ihn.
»Was macht ihr gerade?«, rief Lasse durch die offene Tür.
»Wir räumen gerade den Tisch ab«, rief Valerie zurück.
Sie und Markus grinsten sich an, und dann nahm er sie wieder in die Arme.
D ER Z AUBER VON S ANDBERGEN
D as weiße Segelboot durchpflügte ruhig das klare Wasser der Schärenlandschaft, vorbei an kleinen und großen Inseln, an idyllischen Buchten und Klippen, kargen Felsen und grünen Inseln.
Die junge Frau am Ruder entspannte sich mit jeder Seemeile, die das Boot
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