Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
dieser kurze Moment der Unachtsamkeit, der ihr zum Verhängnis wurde. Sie sah noch aus dem Augenwinkel, dass der Segelbaum sich bewegte, bevor sie den harten Schlag spürte. Eine Welle schoss über die Reling, riss sie mit.
Den Sturz ins Wasser spürte sie schon nicht mehr.
Magnus war wütend, als er nach der Sitzung sein Büro betrat. Missmutig ließ er sich in den Sessel hinter dem alten Mahagonischreibtisch fallen, in dem schon einige Bürgermeistergenerationen vor ihm gesessen hatten. Der wuchtige Schreibtisch fügte sich harmonisch in die ansonsten helle und freundliche Einrichtung des Raumes ein.
Es war eine von Magnus’ ersten Amtshandlungen gewesen, das Rathaus an moderne Zeiten anzupassen. Nicht nur bezüglich der Raumgestaltung, sondern vor allem mit spektakulären Entscheidungen, die er jedes Mal gegen erbitterten Widerstand durchboxen musste. Seine Stadträte standen seinen Vorschlägen oft genug skeptisch gegenüber, und auch die Menschen in Sandbergen, die ihn gewählt hatten, reagierten auf seine Neuerungen nicht selten skeptisch oder zumindest verhalten.
Magnus tat sich immer noch schwer mit dieser Haltung. Er war davon ausgegangen, dass die Menschen hier Veränderungen wollten, schließlich war das der Kernpunkt seines Wahlprogramms gewesen.
Er blickte kurz auf, als seine Sekretärin Maja mit einem Stapel Papiere an seinen Schreibtisch trat.
»Ich hasse diese Sitzungen, bei denen man nicht auf den Punkt kommt«, stieß er hervor. »Eigentlich wollte ich heute Abend auch noch mit dem Boot rausfahren.«
Er schaute zum Fenster. Der Wind hatte sich inzwischen zum Sturm entwickelt, Regen prasselte gegen die Scheiben.
»Na ja, bei dem Wetter kann ich das ohnehin vergessen«, brummte er und starrte missmutig auf die Papiere vor sich.
Maja lächelte verständnisvoll. »Soll ich Ihnen erst einmal einen Kaffee bringen?«
Magnus nickte nur kurz, bemerkte aber selbst, wie unfreundlich sein Verhalten war. Schließlich konnte Maja nichts für seine schlechte Laune, im Gegenteil. »Sagen Sie mal, Maja, was mache ich falsch?«, rief er seiner Sekretärin hinterher.
Maja ließ sich mit der Antwort Zeit. Sie holte erst eine Tasse Kaffee und stellte sie vor ihn auf den Schreibtisch.
»Vielleicht sind Sie einfach nur ein bisschen zu schnell für unsere Leute hier«, sagte sie schließlich ohne jede Spur von Ironie.
Magnus war ehrlich überrascht. »Zu schnell?«, fragte er ungläubig. »Die Leute kennen mich seit meiner Kindheit. Sie wissen, wie ich bin, und haben mich trotzdem gewählt. Außerdem«, kam er auf den eigentlichen Punkt seines Ärgers zurück, »wissen doch alle, dass wir einen weiteren Kindergarten brauchen. Wir sollten nicht lange reden, sondern handeln. Sonst sind die Kinder erwachsen, bis wir den Grundstein gelegt haben!«
Magnus meinte jedes Wort, das er sagte. Aufgebracht betrachtete er Maja, die ihn aufmerksam zu beobachten schien.
»Vielleicht sollten Sie ein bisschen Geduld haben. Wir müssen uns hier alle erst an Ihr Tempo gewöhnen«, sagte sie nachdenklich. »Und an Ihre Energie«, fügte sie hinzu, bevor sie sich zum Gehen wandte.
Magnus sah ihr nachdenklich nach, musste aber lächeln. Vielleicht hatte sie ja recht, vielleicht verlangte er einfach zu viel auf einmal. Und den Kindergarten, den werde ich durchsetzen, eher früher als später, dachte er entschlossen.
Es war spät, als Magnus sich endlich auf den Heimweg machte. Der Sturm tobte unvermindert stark, die Bäume bogen sich, und der Regen erschwerte die Sicht, obwohl er die Scheibenwischer auf höchster Stufe eingestellt hatte. Er kam nur im Schritttempo vorwärts und war erleichtert, als die Scheinwerfer endlich die Haustür seines Elternhauses erfassten. Im Flur brannte Licht, seine Mutter war also zuhause.
Magnus zog sich die Jacke über den Kopf, griff nach dem Aktenordner, den er aus dem Rathaus mit nach Hause genommen hatte, und rannte durch den strömenden Regen zum Haus. Seine Jacke war trotz der wenigen Schritte durchnässt, als er schließlich den Flur betrat.
Seine Mutter kam aus der Küche. »Da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du würdest im Rathaus übernachten.«
Magnus wusste, dass ihre Bemerkung von Sorge geprägt und nicht vorwurfsvoll gemeint war, trotzdem hatte er, wie so oft, das Gefühl, er müsse sich rechtfertigen.
»Ich bin einfach nicht früher weggekommen«, sagte er und ging an seiner Mutter vorbei in das Arbeitszimmer rechts neben der Küche. Er schaltete das Licht ein und stellte
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