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Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)

Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)

Titel: Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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zurücklegte. Sie spürte den Wind in ihrem langen dunklen Haar und lachte befreit auf. Das hatte ihr gefehlt. Der Wind, das Meer. Das Gefühl grenzenloser Freiheit.
    In Stockholm wäre es ihr nie gelungen, den Kopf freizubekommen. Und es gab so viele Dinge, über die sie nachdenken musste. Oft hatte sie in letzter Zeit das Gefühl gehabt, dass sich die Dinge verselbstständigten und sie keinen Einfluss mehr auf ihr Leben hatte.
    Ich könnte weitersegeln, bis ans Ende der Welt, schoss es ihr durch den Kopf. Kein Mensch würde mich finden.
    Der Gedanke war verlockend. Gleichzeitig wusste sie, dass sie damit einigen Menschen wehtun würde. Es war Unsinn, sie konnte nicht einfach davonlaufen oder vielmehr davonsegeln. Immerhin blieb ihr diese Auszeit, bevor sie in ihr altes Leben zurückkehrte. Es war eigentlich paradox: Ihr Leben stand kurz vor einer prägnanten Änderung – und doch würde alles beim Alten bleiben.
    Sie war so in Gedanken versunken, dass sie nicht auf die dunklen Wolken achtete, die sich allmählich über ihr zusammenzogen.
    Magnus war spät dran. Er kam eilig mit einem Blech voller duftender, warmer Brötchen aus der Backstube in den Verkaufsraum und leerte es in einen der Körbe hinter dem Tresen. Er griff nach einem Brötchen und warf es seiner Verkäuferin Ulla zu.
    »Das ist meine neueste Schöpfung«, sagte Magnus grinsend. »Sesam-Karotte. Probier schnell und sag mir, wie du es findest.«
    Ulla fing das Brötchen geschickt auf und brach es lächelnd entzwei.
    »Ich habe nicht viel Zeit«, drängte Magnus. »In fünf Minuten beginnt die Stadtratssitzung.«
    Eilig zog er die Bäckerschürze aus und streifte das frische Hemd über, das an der Garderobe neben der Tür zur Backstube hing. Die Krawatte, die an dem Haken daneben baumelte, legte er sich lose um den Hals. Er warf einen schnellen Blick durch das Schaufenster seiner kleinen Bäckerei, die er nach dem Tod seines Vaters übernommen und renoviert hatte, auf das Rathaus am anderen Ende des Marktplatzes. Sein Blick wanderte über den falunroten Holzbau, dessen Spitze in einer offenen Glockenkuppel endete, und blieb am Ziffernblatt der Turmuhr hängen. Er musste wirklich los. Erwartungsvoll schaute er Ulla an, die genüsslich kaute. »Und? Was sagst du?«
    »Hans Sigmundsson wird es hassen«, behauptete Ulla.
    »Wieso?«, fragte Magnus erstaunt. »Was hat unser Metzger mit meiner neuen Kreation zu tun?«
    Ulla biss noch ein Stück ab und hielt den Rest in ihrer Hand hoch. »Weil man dieses Prachtexemplar nur ohne Wurst genießen kann. Einfach pur schmeckt es garantiert am besten.«
    »Puh!« Magnus wischte sich in gespielter Erleichterung über die Stirn. »Test bestanden! Ich kann los.«
    Er kam bis zur Tür. Bevor er sie aufreißen konnte, wurde sie von außen geöffnet, und seine Mutter kam in den Laden. Überrascht schaute sie ihn an.
    »Hej, du bist noch da? Ich dachte, du musst zu einer wichtigen Sitzung.«
    Magnus drückte seiner Mutter einen hastigen Kuss auf die Wange. In der Tür wandte er sich nochmals um: »Ulla, denk bitte an die Platten für Henrikssons Geburtstagsfest, und du, Mutter, sag in der Mühle Bescheid, dass …«
    »Wird alles erledigt«, fiel seine Mutter ihm ins Wort, bevor sie schmunzelnd hinzufügte: »Wir denken hier alle mit. Also geh endlich, Herr Bürgermeister, und leite die Geschicke unserer Stadt.«
    Magnus schaute seine Mutter dankbar an. Er wusste, dass er sich auf sie und auf Ulla verlassen konnte.
    Als er über den Platz hetzte, wehte ein kühler Wind vom Meer durch die Straßen. Magnus blickte zum Himmel. Eigentlich hatte er nach der Sitzung noch mit dem Boot hinausfahren wollen, aber das Wetter schien ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Als er das Rathaus betrat, vergaß er seine privaten Pläne. Zu wichtig war ihm der Punkt, der heute auf der Tagesordnung stand.
    Der Himmel hatte sich schnell verdunkelt, der Wind frischte zunehmend auf, und das Wasser nahm die graue Farbe der Wolken an. Die Felsen der nächsten Insel waren nur schemenhaft zu sehen. Die Wellenberge wuchsen an, hoben das Schiff in die Höhe und ließen es zurück in ein Wellental fallen. Ein sich ständig wiederholendes Spiel der Naturgewalten. Ein starker Regen ging nieder.
    Es war nicht das erste Mal, dass die erfahrene Seglerin in schwere See geriet. Sie hatte das Segel eingeholt, um den nächsten Hafen mit Motorkraft anzusteuern. Ein ratschendes Geräusch, das sogar den Wind übertönte, irritierte sie. Es war genau

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