Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
Nachtschränkchen flankiert, auf denen gediegene alte Lampen bei Bedarf Licht spendeten. Unter einem der beiden Fenster stand sogar ein kleiner Schreibtisch.
Als Magnus sie einen Augenblick allein ließ, um Handtücher zu holen, trat sie ans Fenster und schaute hinaus. Die Aussicht auf das Wasser war atemberaubend. Sie drehte sich einmal um sich selbst.
»Es ist wunderschön hier«, sagte sie, als Magnus mit einem Stapel Handtücher ins Zimmer kam. Sie spürte in sich eine Zufriedenheit, die so gar nicht zu ihrer Situation passte. Sie fragte sich, warum das so war und ob vorher in ihrem Leben etwas schiefgelaufen war, das sie so fühlen ließ.
Magnus schaute sie an, schien den Blick kaum von ihr lösen zu können. Mit einem Räuspern legte er die Handtücher auf das Bett.
»Tut mir leid«, sagte er, »ich muss jetzt los. Ich habe Termine im Rathaus, und in den Laden muss ich auch noch.«
»Ja, natürlich.« Sie nickte. »Ich habe Sie schon viel zu lange aufgehalten.« Sie sah Magnus nach, als er zur Tür ging, und wünschte sich, er würde nicht gehen. »Was für einen Laden haben Sie eigentlich?«, rief sie ihm nach.
Magnus blieb stehen und wandte sich um. »Eine Bäckerei.«
»Sie sind Bäcker!«, rief sie aus und wusste selbst nicht, warum sie sich darüber freute. Vielleicht hatte sie in ihrem früheren Leben gerne Kuchen und Brot gegessen.
Magnus grinste sie an. »Enttäuscht, weil ich nur ein Bäcker bin?«, fragte er schalkhaft.
»Nein.« Sie lachte leise und schüttelte den Kopf. »Sie sind, was Sie sind, und das gefällt mir.«
»Ich bin, was ich bin?« Markus grinste. »So ganz nebenbei bin ich nämlich auch noch Bürgermeister.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Jetzt muss ich aber wirklich los.« Er wandte sich zum Gehen, als ihm offensichtlich noch etwas einfiel. »Fühlen Sie sich wie zu Hause. Der Kühlschrank ist voll. Nehmen Sie sich, was Sie brauchen«, sagte er freundlich.
Mit einer Handbewegung zum Bett erwiderte sie: »Vielen Dank für das Angebot, aber ich will erst einmal nur schlafen.«
»Gut, dann bis später«, sagte er, ohne jedoch den Raum zu verlassen. Stirnrunzelnd betrachtete er sie. »Wie soll ich Sie eigentlich nennen? Ich meine, bis Sie sich an Ihren Namen erinnern …«
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Welcher Name passt denn zu mir?«
»Lucia«, sagte er spontan.
»Lucia?« Sie musste lachen. »Warum?«
»Sie haben so etwas Strahlendes«, sagte er sofort. »Irgendwie scheinen Sie zu leuchten.«
Es rührte sie, dass er sie mit der Lichterkönigin verglich, die alljährlich in Schweden zur Vorweihnachtszeit
verehrt wurde. Sie ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. »Hej, ich bin Lucia«, sagte sie lachend.
Magnus erwiderte ihren Händedruck. »Magnus Sigge«, sagte er. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Lucia.«
»Es war sehr nett von Ihnen, dass Sie sich um mich gekümmert haben«, sagte sie. Sie schauten sich an.
Sekundenlang stand die Welt still, dann wandte er abrupt den Blick ab und verließ den Raum.
Magnus eilte die Treppe hinunter und holte schnell einige Unterlagen aus seinem Büro. Er zog die Haustür hinter sich zu, blieb aber trotz seiner Eile vor der Tür stehen. Er lächelte. »Lucia«, sagte er leise und zärtlich.
Er lächelte immer noch, als er in seinen Wagen stieg.
In den ersten Minuten fühlte Lucia sich schrecklich allein. Es war so still im Haus, nur das Vogelgezwitscher von draußen war zu hören. Verloren stand sie im Raum und versuchte zu ergründen, was in ihr vorging. Die Geschehnisse forderten ihren Tribut, auch wenn sie nicht genau wusste, was eigentlich passiert war.
Sie spürte jetzt leichte Schmerzen im Rücken und wieder einen Druck im Kopf. Wer bin ich wirklich?, dachte sie. Und warum ist da etwas in mir, das sich sträubt, es herauszufinden?
Je länger sie darüber nachdachte, desto weniger kam sie einer Lösung nahe, desto stärker wurde auch der Druck in ihrem Kopf. Sie fühlte sich sehr erschöpft, sehnte sich nach Schlaf und Ruhe. Sie legte sich auf das Bett und zog die Wolldecke über sich. Sie versuchte nicht weiter, die Dunkelheit ihrer Erinnerung zu durchdringen, und allmählich entspannte sie sich. Als unten die Haustür zuschlug, war sie bereits eingeschlafen.
Der alte Mann stand mit hängenden Schultern vor dem Grab. In sein Gesicht hatte sich die Verbitterung eingemeißelt. Reglos stand er da und starrte auf den Grabstein.
Jonas Wernberg stand dort in großen Lettern geschrieben und
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