Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
wandte sich zu ihr um, und Lucia registrierte erleichtert, dass ihr Blick nicht mehr ganz so streng wirkte.
Lucia fasste Mut. »Ich hatte einen Unfall und brauche ein wenig Ruhe«, erklärte sie so ruhig wie möglich. »Allerdings hat Magnus mir nicht gesagt, dass er hier nicht alleine wohnt«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Das tun Söhne selten, wenn sie einer Frau imponieren wollen.« Auch die Frau lächelte jetzt, während sie auf sie zukam. »Da vergessen sie ihre Mütter auf der Stelle. Ich bin übrigens Greta Sigge.«
Lucia wies auf die Teekanne. »Ich habe gerade Tee gekocht. Möchten Sie auch eine Tasse?«
Magnus’ Mutter bedankte sich und stellte zwei Tassen auf den Tisch, während Lucia ihr gegenüber Platz nahm.
Greta nippte an ihrem Tee. »Was war das für ein Unfall?«, wollte sie wissen.
Lucia starrte nachdenklich auf ihre Tasse. »Ich weiß nicht, was passiert ist«, sagte sie leise. »Ich habe mein Gedächtnis verloren und kann mich erst ab dem Moment erinnern, als Magnus mich fand.«
In diesem Augenblick kam Magnus in die Küche. »Wie schön, du hast Lucia schon kennengelernt«, sagte er fröhlich.
»Lucia?« Greta schien ehrlich überrascht.
»Ein provisorischer Name«, erklärte Magnus schmunzelnd, »bis sie ihr Gedächtnis wiedergefunden hat.«
Greta betrachtete ihren Sohn, ihre Miene schien nachdenklich. »Was sagt denn eigentlich die Polizei?«, wollte sie schließlich wissen. »Für die muss es doch ein Kinderspiel sein, herauszufinden, wer Sie sind.«
»Ja«, sagte Lucia gedehnt und spürte, wie ihr Hitze in die Wangen stieg. »Ich habe schon auf der Polizeistation angerufen, die wissen von nichts. Keiner scheint mich zu vermissen, aber die Polizei wird Nachforschungen anstellen.« Die Lüge kam über ihre Lippen, ohne dass sie überhaupt nachdachte.
Was sage ich da?, schoss es ihr gleich darauf durch den Kopf.
»Sehr mutig.« Greta schien eine Frau zu sein, die kein Blatt vor den Mund nahm und immer direkt das aussprach, was sie dachte. »Vielleicht sind Sie auf der Flucht, weil Sie eine Bank ausgeraubt oder Autos gestohlen haben. Möglicherweise …«
»Mutter!«, fiel Magnus ihr hart ins Wort. »Ihre Situation ist schlimm genug, da musst du nicht auch noch den Teufel an die Wand malen.«
Lucia schluckte. »Vielleicht hat Ihre Mutter ja recht«, sagte sie bedrückt. Schließlich hatte sie gerade erst gelogen, und vielleicht lag das in ihrer Natur: Unehrlichkeit und möglicherweise sogar Schlimmeres. Es war ein Gedanke, der sie erschreckte.
»Es kann doch sein, dass mein Gedächtnis streikt, weil mein bisheriges Leben eine Katastrophe war«, fügte sie hinzu. Sie verspürte tatsächlich Angst, dass es genau so war, und hatte das Gefühl, gleich in Tränen auszubrechen. Als sie Magnus’ und Gretas Blick auf sich spürte, zwang sie sich jedoch zu einem Lächeln. Es fiel ihr schwer, und sie konnte in den Mienen der beiden erkennen, dass sie das bemerkten.
Bernd versuchte sich auf die Zahlenkolonne des neuen Umsatzberichtes zu konzentrieren, aber seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Wieso musste Selma ausgerechnet so kurz vor der Hochzeit auf einen Segeltörn gehen? Und, was noch viel schlimmer wog: Wieso hatte sie darauf bestanden, allein zu fahren?
Sie hatte zumindest versucht, es ihm zu erklären, das musste er zugeben. Sie hatte von ihrem Bedürfnis gesprochen, alleine zu sein, und vom Reiz der Stille auf dem Wasser. Beides konnte er nicht nachvollziehen, schon gar nicht in dieser Situation. Er konnte nicht einmal ihre Begeisterung für das Segeln verstehen; er selbst hasste es, auf dem Wasser zu sein.
Gut, wenn es sich um eine Kreuzfahrt auf einem Schiff handelte, das ihm allen Luxus bot, dann konnte er sich sogar mit Wasser anfreunden, aber drei Wochen alleine auf einem Segelboot …
»Hochzeitstorte, zweiter Versuch.« Selmas Sekretärin Lovisa betrat sein Büro, in der Hand einen Teller mit einem großen Stück eines zweistöckigen Gebildes, das vor allem aus Creme, Sahne und einer pinkfarbenen Verzierung zu bestehen schien.
Bernd betrachtete die Torte missmutig. Er hatte gerade eben bereits etwas Ähnliches probiert, und sein Bedarf an Torte war fürs Erste gedeckt. Sein Ärger auf Selma wuchs. Sie ließ ihn mit sämtlichen Hochzeitsvorbereitungen alleine!
Man kann fast den Eindruck gewinnen, die Hochzeit ist ihr nicht wichtig, dachte er und spürte ein Ziehen in seiner Magengegend. Die Hochzeit mit Selma brachte ihn ans Ziel seiner ehrgeizigen Träume.
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