Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
würde, rechtzeitig zum Stehen zu kommen.
Lucia handelte instinktiv. Sie lief sofort los und zog den Mann gerade noch rechtzeitig zur Seite.
Das Auto kam genau an der Stelle zum Stehen, an der der ältere Mann gerade noch gestanden hatte. Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter. Er war ebenso blass wie der Mann, den er gerade beinahe überfahren hätte.
»Haben Sie noch alle Tassen im Schrank!«, schrie er erbost.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich der Mann. »Ich habe Sie einfach nicht gesehen.« Lucia, die ihn immer noch am Arm festhielt, spürte, wie er zitterte.
Der Autofahrer winkte ungehalten ab und fuhr weiter.
»Danke, das hätte schiefgehen können«, wandte der Mann sich nun an Lucia. Seine Miene drückte Erleichterung aus, gleichzeitig lag in seinem Blick ein tiefer Schmerz, der weit mehr als den eben erlebten Schrecken ausdrückte.
Lucia betrachtete ihn besorgt. »Keine Ursache«, sagte sie, »aber Sie sollten in Zukunft etwas vorsichtiger sein.«
»Das hier«, er zeigte zur Straße, auf der der Wagen längst außer Sichtweite war, »wird mir jedenfalls eine Lehre sein.«
»Das ist gut«, sagte Lucia und wünschte ihm noch einen schönen Tag.
Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Lucia bemerkte, dass es seine Augen nicht erreichte. Der Mann wirkte auf eine Art und Weise traurig, die sie zutiefst berührte.
»Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Tag«, sagte er, »und nochmals vielen Dank.«
Er wandte sich ab, und sein Blick fiel auf Magnus, der auf der anderen Straßenseite stand. Seine Miene verhärtete sich augenblicklich. Lucia sah, wie er schnellen Schrittes weiterging und in einen Wagen stieg, der am Straßenrand geparkt war.
Lucia trat neben Magnus. »Kennen Sie diesen Mann?«
»Max Wernberg«, entgegnete Magnus kurz. »Er ist Anwalt.«
Lucia schaute dem Wagen nach, mit dem der Anwalt jetzt davonfuhr. »Er schien ganz schön neben sich zu stehen.«
»Das tut er«, sagte Magnus. »Schon seit einigen Jahren.«
Lucia hörte die Verbitterung in seiner Stimme und wartete auf eine Erklärung, aber die kam nicht. Sie betrachtete ihn nachdenklich, aber er schien ihren Blick nicht zu bemerken, sondern schaute mit zusammengezogenen Brauen die Straße hinunter.
Dennoch war Lucia enttäuscht, als er sie schließlich mit einem Lächeln zum Gehen aufforderte. Nichts war mehr zu spüren von der bedrückenden Stimmung, die eben noch über ihm geschwebt hatte. Lucia ahnte, dass er nicht darüber reden wollte, und respektierte das.
Sie überquerten gemeinsam die Straße und betraten die Bäckerei. Eine Glocke läutete, als er die Tür öffnete und sie eintreten ließ. Neugierig schaute sie sich um.
Die Bäckerei gefiel ihr, und der Geruch nach frischen Backwaren schien für den Bruchteil einer Sekunde das Dunkel ihrer Erinnerung zu durchdringen. Dann war es auch schon vorbei. Wie eine Kerze, die aufflackerte und gleich darauf durch einen Windzug wieder gelöscht wurde.
Lucia spürte erstaunt in sich hinein, konnte das Gefühl der Vertrautheit aber nicht festhalten. Nachdenklich sah sie sich um. Die Backsteinmauer hinter dem Tresen war unverputzt, daran waren weiße Regale befestigt, auf denen Brotkörbe mit frisch gebackenen Brotlaiben standen. Die übrigen Wände waren in einem warmen Rotton gestrichen, die Sprossentür und die Fenster weiß abgesetzt. Lucias Blick blieb an dem antiken Tresen hängen, der sich perfekt in dieses Ambiente einfügte. Sie fühlte sich wohl in diesem lichtdurchfluteten Raum.
Magnus hatte eine Kundin im Laden begrüßt und plauderte mit ihr. Er freute sich sichtlich, dass ihr eine offensichtlich neue Sorte Brötchen besonders gut schmeckte, und hielt ihr schließlich die Tür auf, als sie mit ihren Einkäufen die Bäckerei verließ.
Magnus schloss die Tür und breitete die Arme aus. »Das ist also mein Reich«, sagte er stolz.
Lucia lächelte. »Ein schöner Laden.«
»Ich habe den Laden vor zwei Jahren übernommen und erst einmal renoviert«, erklärte Magnus. »Wir haben einen Großteil des alten Inventars meines Großvaters restauriert und wieder eingebaut.« Er wies auf den Tresen.
»Es war Ullas Idee«, fuhr er fort. »Ach ja, ich habe sie noch gar nicht vorgestellt.« Er lächelte der jungen Frau hinter dem Tresen zu. »Ulla Wernberg ist die Stütze in meinem Laden.« Er wies auf Lucia. »Und das ist Lucia. Sie hatte einen Unfall und wohnt ein paar Tage bei uns«, fügte er erklärend hinzu.
»Ach, Sie sind das«, sagte Ulla. »Man redet hier
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