Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
ihr, sich zu beeilen.
Lucia wanderte eine Weile ziellos durchs Haus. Mehrmals strich sie um das Telefon, bis sie schließlich entschlossen zum Hörer griff, um die Polizei in Sandbergen anzurufen. Kaum dass sie die Nummer gewählt hatte, legte sie jedoch wieder auf.
Warum?, fragte sie sich. Was hält mich davon ab, herauszufinden, wer ich bin? Was kann so schlimm daran sein, zu wissen, wie mein Leben vorher war? War ich vor meinem Unfall vielleicht wirklich auf der Flucht? Vor der Polizei, vor einem Mann …?
Sie ging in die Küche, stellte Teewasser auf und setzte sich an den Tisch. Das Gesicht in beide Hände vergraben, grübelte sie weiter.
Wie war sie an diese Stelle gekommen, an der Magnus sie gefunden hatte? Ein Autounfall konnte es nicht gewesen sein, die Straße war viel zu weit entfernt. Und wenn sie von einem Boot gefallen wäre, hätte doch sicher jemand nach ihr gesucht. Vielleicht suchte ja auch jemand nach ihr und sie musste nur bei der Polizei anrufen, um das in Erfahrung zu bringen.
Es sei denn, sie war alleine mit einem Boot unterwegs gewesen. Magnus hatte ihr erzählt, dass es in der Nacht zuvor ein Unwetter gegeben hatte. Ein havariertes Boot könnte untergegangen sein.
Sie zuckte erschrocken zusammen, als der Wasserkessel zu pfeifen begann und zumindest für den Moment ihre Gedanken unterbrach.
Sie gab das heiße Wasser über den Tee und ließ ihn ein paar Minuten ziehen. Mit der Tasse in der Hand ging sie durchs Wohnzimmer, wo sie die Terrassentür öffnete. Gedankenverloren rührte sie in ihrem Tee, den Kopf gegen den Türrahmen gelehnt. Sie ließ den Blick über die Landschaft gleiten. Wie schön und friedlich die Welt hier war. Die Wiese hinter dem Haus führte bis hinunter ans Wasser. Eine runde Laube, umgeben von einer hölzernen Veranda, stand direkt am schilfbewachsenen Ufer. Von dort aus führte ein Steg über das Wasser, an dessen Ende sich eine quadratische Plattform befand. Ein schöner Ort zum Sitzen und Träumen.
Plötzlich verspürte Lucia einen unwiderstehlichen Drang zum Wasser. Sie nahm einen weiteren Schluck aus der Tasse und ging hinunter zum Steg. Nachdenklich stand sie an der Plattform und horchte in sich hinein. Es kam ihr seltsam vor, dass sie keine Angst verspürte, schließlich war der Unfall erst ein paar Tage her. In ihr war nur die Sehnsucht, ihren Körper in dieses kühle Nass zu tauchen. Sie wusste, dass sie sich darin wohlfühlen würde. Entschlossen zog sie sich aus und warf ihre Kleidung einfach auf den Steg. Sekundenlang stand sie nackt am Rand der Plattform, bevor sie mit einem Freudenschrei ins Wasser sprang.
Eine Ratssitzung hatte vertagt werden müssen, deshalb konnte Magnus früher Feierabend machen. Im Haus war es still, und als er nach Lucia rief, antwortete sie nicht. Er ging hinauf zu ihrem Zimmer und klopfte an, erhielt aber keine Antwort. Vielleicht hatte sie sich hingelegt und war eingeschlafen.
Als Magnus das Wohnzimmer betrat, sah er die geöffnete Terrassentür. Er ging hinaus, genau in dem Moment, als Lucia nackt am Rand der Plattform stand. Ihr schöner Körper zeichnete sich im Licht der Nachmittagssonne gegen die blaue Wasserfläche ab, bevor sie jauchzend ins Wasser sprang.
Magnus genoss den Anblick, fühlte sich aber wie ein heimlicher Beobachter und in dieser Rolle sehr unwohl. Er wandte sich um, um ins Haus zu gehen, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. Er ging zur Plattform und blickte hinunter auf Lucia. Sie lag auf dem Rücken, ließ sich vom Wasser treiben und war so schön, dass es ihm den Atem raubte.
Es war herrlich im Wasser. Sie machte ein paar Züge und genoss das Gefühl des kühlen Wassers auf ihrer Haut. Erst in diesem Augenblick wurde ihr klar, wie leichtsinnig es gewesen war, einfach hineinzuspringen. Sie hatte schließlich nicht gewusst, dass sie schwimmen konnte.
Als Lucia sich auf den Rücken drehte und treiben ließ, sah sie Magnus auf der Plattform stehen. Er schaute lächelnd in ihre Richtung. In seinen Augen lag ein Strahlen, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Seine Blicke waren nicht anzüglich, und sie fühlte sich wegen ihrer Nacktheit kein bisschen verlegen.
»Hej, Magnus!«, rief sie fröhlich. »Kommen Sie doch auch ins Wasser!«
Er zögerte. »Eigentlich wollte ich gerade …«, hörte sie ihn sagen. »Ach, was soll’s!«, unterbrach er sich selbst. Sie beobachtete belustigt, wie er das Hemd und anschließend die übrige Kleidung auszog. Sein Körper ist schön, dachte Lucia, kurz bevor Magnus
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