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Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)

Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)

Titel: Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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mit der Situation, das war deutlich zu spüren. Aber Ulla hatte die Wahl, die Situation zu ändern, und genau das machte Selma so wütend.
    »Du hast recht, es geht mich nichts an«, sagte sie mit erhobener Stimme. »Es geht mich nichts an, dass du dein Leben wegwirfst und hier als Verkäuferin arbeitest.«
    Ulla sah kurz auf. »Ich mache das gerne«, behauptete sie.
    »Ja, sicher«, sagte Selma. Es gelang ihr nicht, ihre Stimme frei von Zynismus zu halten. »Es gibt nichts, was du lieber machen würdest. Du bist freiwillig von der Uni gegangen und hast dich von Magnus einstellen lassen.«
    Ihr provozierender Tonfall verfehlte seine Wirkung nicht. Ulla warf den Kopf in den Nacken. »Ich habe die Uni gehasst«, sagte sie.
    »Die Uni? Oder das Fach?«, reagierte Selma prompt. »Du hast doch Jura gewählt, weil dein Vater es wollte.«
    Ulla starrte sie an, sagte keinen Ton.
    »Und das kannst du ihm nicht verzeihen«, fuhr Selma fort. Sie sah Ulla an, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. »Ich verstehe nicht, warum du nicht einfach das studiert hast, was dir Spaß macht. Warum dieser Bäckereijob?«
    Selma erkannte sofort, dass Ulla zutiefst verletzt war. Die junge Frau trat einen Schritt vor, und in ihren Augen lag der Hass, der sich in all der Zeit in ihr aufgestaut hatte. »Wenn du es genau wissen willst, wollte ich ihm wehtun«, stieß Ulla hervor. »Ich habe das Jurastudium geschmissen und den Job bei Magnus angenommen, weil ich wusste, dass meinen Vater nichts mehr verletzen würde – nach dem Tod meines Bruders!« Sie rannte ein paar Schritte an Selma vorbei und blieb abrupt stehen.
    Selma war geschockt. Magnus hatte kein Wort darüber verloren, dass Ulla einen Bruder gehabt hatte, das hörte sie hier zum ersten Mal. Aber warum war das so ein großes Geheimnis? Was war passiert? Und wie viel Schmerz trug hier eigentlich jeder mit sich herum, wenn nicht einmal darüber geredet wurde?
    Voller Mitgefühl betrachtete sie die junge Frau, die mit dem Rücken zu ihr und bebenden Schultern ein paar Schritte entfernt stand. Sie folgte ihr langsam und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    Ulla schluchzte auf und begann dann zu sprechen.
    »Magnus und mein Bruder Jonas waren Freunde. Bei einem Surfurlaub in Frankreich hatte mein Bruder einen Unfall. Magnus hat noch versucht, ihn zu retten, aber er konnte nichts mehr für Jonas tun.« Ulla hielt kurz inne, senkte den Kopf. »Jonas hatte Jura studiert und war gerade erst in die Kanzlei meines Vaters eingestiegen.«
    Selma verstand sofort. »Und dann solltest du den Platz deines Bruders einnehmen.«
    »Studium, Beruf, alles hatte mein Vater für mich geplant«, stieß Ulla hervor. »Ich durfte mich nicht einmal dazu äußern. Er wollte nicht wissen, dass Jura nichts für mich ist. Er hat sich überhaupt nicht für mich interessiert. Es sei meine Pflicht, hat er gemeint.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe mich echt bemüht, aber ich konnte es einfach nicht.« In dem Blick, den sie Selma zuwarf, lag tiefe Verzweiflung. »Ich bin dazu einfach nicht geeignet und habe es schließlich hingeschmissen. Schon am nächsten Tag hat mir ein Anwaltskollege meines Vaters mitgeteilt, dass mein Vater mich nicht mehr als seine Tochter betrachtet.« Sie schwieg sekundenlang. Als sie weitersprach, klang neben Schmerz tiefe Bitterkeit aus ihrer Stimme.
    »Als hätte er das je getan. Ich war ihm nur wichtig, solange ich seinen Sohn ersetzen konnte.«
    Selma hatte ihren Worten mit zunehmender Betroffenheit gelauscht. Ulla tat ihr leid, inzwischen wusste sie selbst, wie schwierig es war, nicht die sein zu können, die sie war, sondern die Erwartungen der anderen erfüllen zu müssen. Sie fühlte aber auch mit Max Wernberg. Es war sicher nicht richtig gewesen, wie er Ulla behandelt hatte, aber wahrscheinlich war das seine hilflose Art gewesen, mit dem Tod des Sohnes fertig zu werden.
    »Das ist alles so lange her«, sagte sie behutsam. »Ich bin sicher, dein Vater bereut das längst.«
    Ulla schüttelte heftig den Kopf. »Vielleicht. Aber soll ich so tun, als wäre nichts gewesen? Er hat mich nie geliebt, so wie ich bin. Warum sollte sich das jetzt ändern?«, stieß sie hervor, bevor sie in die Bäckerei lief.
    Selma schaute ihr bedrückt nach, folgte ihr aber nicht. Solange die junge Frau nicht bereit war, ihrem Vater die Hand zur Versöhnung zu reichen, konnte sie ihr nicht helfen. Seufzend warf sie einen letzten Blick auf die Bäckerei, bevor sie sich entschlossen umwandte und

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