Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
würde. Sie war ihr in der Zeit hier eine mütterliche Freundin geworden, und besonders jetzt hätte sie ihren Beistand dringend gebraucht.
Aber Greta kam nicht, und das zeigte Selma einmal mehr, dass sie hier nicht mehr erwünscht war. Greta, und wahrscheinlich auch die anderen Sandbergener, allen voran Magnus, wollten nur Lucia.
Selma presste beide Hände rechts und links gegen ihre Schläfen. Wieso hing alles nur von diesem verdammten Namen ab? Warum kapierten die Menschen, die ihr so wichtig geworden waren, denn nicht, dass sie sich nicht verändert hatte?
Sie sprang auf und begann in aller Eile, ihre Sachen zu packen. Viel war es nicht, was sie besaß. Ein paar Kleidungsstücke, die Magnus bezahlt hatte. Er hatte darauf bestanden, sie für ihre Arbeit in der Backstube zu entlohnen, sich aber strikt geweigert, von ihrem Lohn das Geld für die Kleidungsstücke abzuziehen. Mit der Rückzahlung sollte sie sich Zeit lassen, bis sie wieder wusste, wer sie war und wo sie herkam, hatte er gesagt.
Sie hielt kurz inne. Einer Selma Alander wird es sicher keine Probleme bereiten, ihm das Geld in den nächsten Tagen zukommen zu lassen, dachte sie bitter.
Selma stopfte ihre gesamte Habe in die Einkaufstüten, die sie in der Boutique bekommen und fein säuberlich in den Schrank gelegt hatte. Danach ließ sie sich ein Taxi kommen.
Greta war nirgendwo zu sehen, und Selma machte sich nicht die Mühe, sie zu suchen. Sie hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie gehen sollte, und das würde sie jetzt tun. Für immer!
Der Fahrer verstaute ihre Tüten im Kofferraum und freute sich offensichtlich über die lukrative Fahrt. Kunden, die sich nach Stockholm chauffieren ließen, hatte er sonst vermutlich nicht.
Selma nahm im Fond des Wagens Platz. Sie lehnte das Gesicht gegen die Seitenscheibe und kämpfte mit den Tränen. Besonders schmerzhaft wurde es für sie, als der Wagen nach Sandbergen hineinfuhr, vorbei an den schmucken kleinen Häuschen, und schließlich den Marktplatz überquerte. Plötzlich sah sie Ulla vor der Bäckerei die Tafel mit der Torte des Tages beschriften.
Auf ihre Bitte hin hielt der Taxifahrer den Wagen an. Selma stieg aus und ging über die Straße auf Ulla zu, die nur kurz aufschaute.
»Heute kein Kuchen«, las Selma laut vor. »Schreib lieber, dass es nie mehr Kuchen gibt.« Sie hörte selbst, wie bitter ihre Stimme klang.
»Okay, mache ich«, erwiderte Ulla kurz angebunden.
Selma hatte nicht unbedingt eine andere Reaktion erwartet. »Du bist froh, dass ich gehe«, stellte sie fest.
»Das ist doch egal«, behauptete Ulla und wandte sich um, um die Tafel an die Tür der Bäckerei zu stellen. Es war offensichtlich, dass sie nicht an einer Fortsetzung des Gesprächs interessiert war.
Die trotzige Art, die Ulla an den Tag legte, brachte Selma auf einen Gedanken. »Weißt du«, sagte sie nachdenklich, »eigentlich sind wir uns gar nicht so unähnlich. Wir wollen beide unseren Weg gehen. Egal, was andere davon halten.«
Ulla warf ihr nur einen kurzen unfreundlichen Blick zu und begann damit, die Stühle, die sich um die Bistrotische vor der Bäckerei gruppierten, zusammenzuklappen. »Ich bin nicht wie du«, sagte sie kalt.
Selma schaute sich um. Dieser Platz vor der Bäckerei, wo sich gestern noch Menschen zu einer Plauderstunde bei ihren Torten und Kaffee getroffen hatten, wirkte mit einem Mal trostlos.
Sie wandte sich an Ulla. »Stimmt«, sagte sie ruhig. Sie wählte die folgenden Worte mit Bedacht. »Im Gegensatz zu mir hast du immer gewusst, wer du bist, und bist trotzdem auf dem falschen Platz gelandet.«
Es war Ulla anzusehen, dass ihre Bemerkung sie in Rage versetzte. Sie versuchte gar nicht erst, ihren Ärger zu verbergen, Kälte schlug um in Wut. Ihre Augen blitzten. »Das muss ich mir nicht anhören!«, sagte sie aufgebracht. Der Knall, mit dem sie den Klappstuhl zuschlug, hallte zwischen den Häusern wider.
Selma hatte viel und gründlich über diese Sache nachgedacht. Sie hatte Ullas Reserviertheit ihr gegenüber stets akzeptiert, tat sich aber schwer mit deren Verhalten in Bezug auf ihren Vater. Wie selbstgerecht die junge Frau doch agierte! Auch wenn Selma keine Ahnung hatte, was damals vorgefallen war, so war es doch erstens lange her, und zweitens handelte es sich um erwachsene Menschen. Sie ahnte, dass Max bereit war, einen Schritt zu tun, und hatte selbst mehrfach beobachtet, wie Ulla ihn kalt abgewiesen hatte. Meist mit Blicken. Dabei war keiner von ihnen doch glücklich
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