Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
hätte sie den Verstand verloren. Aus seiner Sicht mochte das sogar verständlich sein. Er war durch und durch Kaufmann, ihn interessierte vor allem die Gewinnoptimierung. Zum ersten Mal allerdings zweifelte Selma daran, ob es ihm überhaupt um den Geschmack der Kunden ging.
»Ich dachte, du bist wieder völlig in Ordnung«, sagte er jetzt und zog sein Handy aus der Jackentasche. »Vielleicht sollte ich doch einen Termin bei Professor …«
»Ich bin in Ordnung«, fuhr Selma ihn an und sprang auf. Sie fand sein Verhalten ihr gegenüber unverschämt und musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu werden. »Das heißt aber noch lange nicht, dass mir alles gefällt, was ich in meinem Leben vorfinde.«
Sie sah, dass ihre Worte ihn getroffen hatten. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sie eine ganze Weile schweigend, bevor er endlich aussprach, was sie beide bisher geflissentlich vermieden hatten: »Es ist dieser Magnus, richtig?«
»Ja, auch …« Selma stand hinter ihrem Schreibtisch und fühlte sich schrecklich verloren. Es wurde nicht leichter, nur weil sie es endlich aussprach. Trotzdem musste es sein, schließlich war sie in ihr altes Leben zurückgekehrt, um Dinge zu klären und an ihren rechten Platz zu rücken.
Sie holte tief Luft. »Ich will dich nicht verletzen, Bernd«, sagte sie, »aber …«
»Er ist ein einfacher Bäcker«, fiel Bernd ihr mit verständnisloser Miene ins Wort.
»Ich liebe ihn«, sagte Selma und wusste in diesem Moment, dass es stimmte.
Bernd hingegen war verletzt, das war ihm deutlich anzusehen. In den letzten Tagen hatte sie sich immer gefragt, ob sie ihm auch etwas bedeutete oder ob es ihm nur um die Firma ging. Jetzt wurde ihr klar, dass auch sie ihm wichtig war. Auf seine ganz besondere Art liebte er sie wahrscheinlich. Oder er glaubte zumindest, sie zu lieben.
»Ich dachte wirklich, es sei in Ordnung, so wie ich mein Leben lebe«, fuhr sie verzweifelt fort. »Die Firma zu übernehmen, dich zu heiraten. Ich habe nicht daran gezweifelt, dass es richtig ist. Erst die Zeit in Sandbergen hat mir gezeigt, dass ich das alles nicht will. Ich wusste nicht, wer ich war, aber da war immer das Gefühl, dass ich nicht in mein altes Leben wollte, das ich nicht dorthin gehöre. Da war etwas in mir, was sich dagegen wehrte, die Wahrheit herauszufinden.«
Bernd war sichtlich fassungslos. »Du hast nie unglücklich gewirkt, und ich habe dich nie zu etwas gezwungen«, brachte er mühsam hervor.
»Niemand hat mich gezwungen«, sagte sie ehrlich. »Ich dachte einfach, ich müsste die Erwartungen anderer erfüllen.« Sie stockte, betrachtete ihn nachdenklich. »Aber jetzt weiß ich, dass ich das nicht kann«, fügte sie mit fester Stimme hinzu. Sie sah ihm tief in die Augen. »Und ich will es auch nicht. Die Selma, so wie ihr sie gekannt habt, die gibt es nicht mehr.«
Bernd hielt ihrem Blick lange stand, bevor er sich abwandte und ohne ein weiteres Wort aufstand. Mit hängenden Schultern verließ er ihr Büro.
Selma schaute ihm nach. Er tat ihr leid, aber sie wusste, dass sie richtig gehandelt hatte.
Magnus hatte in der Nacht lange wach gelegen. Er hatte in sich hineingehorcht und schließlich einen Entschluss gefasst. Er würde nicht länger darauf warten, dass Selma sich meldete. Womöglich wartete er dann sein ganzes Leben lang vergeblich. Er konnte ihr ihre Reaktion nicht einmal verdenken. Er hatte sie weggeschickt, wie konnte sie sich seiner Gefühle für sie da sicher sein?
Magnus war fest entschlossen, um die Liebe seines Lebens zu kämpfen. Seine Einsicht kam spät, aber er hoffte inständig, dass es noch nicht zu spät war.
Der Morgen begann mit strahlendem Sonnenschein. Als Magnus nach unten kam, hatte seine Mutter den Frühstückstisch auf der Terrasse gedeckt. Er hatte jedoch nicht vor, sich zu ihr an den Tisch zu setzen, er wollte gleich losfahren.
»Guten Morgen, Mutter«, grüßte er fröhlich. »Könntest du bitte eine Anzeige aufgeben, dass wir eine neue Verkäuferin suchen?«
»Ich habe schon gehört, dass du Ulla entlassen hast«, sagte Greta. »Und ich finde es gut«, fügte sie ernst hinzu.
Magnus grinste. »Komisch, dass alle im Nachhinein immer alles besser wissen.«
Greta lächelte ebenfalls. »Das nennt man dann Lebenserfahrung«, meinte sie liebevoll. »Willst du nicht erst in Ruhe frühstücken, bevor du in die Bäckerei fährst?«, fügte sie hinzu, als er seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche nahm.
Magnus schüttelte den Kopf. »Ich fahre nicht
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